Bundesverfassungsgericht

Entscheidung zur Betreuervergütung

Es gibt eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Vereinbarkeit der in den §§ 4, 5 VBVG geregelten pauschalen Betreuervergütung mit der Verfassung (Beschluss vom 18.8.2011 mit dem Az. 1 BvL 10/11).
30.08.2011

    Das Landgericht München I (BtPrax 2011,136) hatte die Regelungen des VBVG zur Pauschalvergütung zum Teil als nicht mit der Verfassung vereinbar angesehen. Dabei war aber – anders als im Falle vorheriger Verfassungsbeschwerden bzw. Vorlagebeschlüsse – nicht die Sichtweise von Betreuern (die wegen fehlender Öffnungsklauseln in besonders aufwendigen Fällen keine adäquate Vergütung erhalten können), sondern die Perspektive von Betreuten in besonderen Fallkonstellationen der Ausgangspunkt für den Vorlagebeschluss.

    Das Gericht hatte wie folgt argumentiert:
    Im Falle der Anordnung einer vorläufigen Unterbringung gem. § 331 FamFG sei die Bestellung eines (vorläufigen) Betreuers für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge (für psychiatrische Behandlung) und  Aufenthaltsbestimmung unerlässlich. Es sei nicht selten, dass die Betreuung in solchen Fällen schon nach kurzer Zeit wieder aufgehoben werden könne. Für nicht mittellose Betreute würde das eine nicht hinnehmbare finanzielle Belastung bedeuten. Durch die vorgegebenen Pauschalen müssten Sie eine hohe Stundenzahl vergüten, während solche Betreuungen im Regelfall nicht mit sehr viel Arbeit verbunden seien (in dem gegebenen Fall hätte sich nach den Feststellungen des Gerichts ein Stundensatz von knapp 125,- € je tatsächlich geleisteter Stunde Betreuungsarbeit ergeben). Zudem sei für den betreffenden Betreuten kein Ausgleich möglich, weil durch die relativ kurze Dauer der Betreuung der zeitliche Bereich, in dem nur noch niedrigere Stundenzahlen zu vergüten sind, nicht erreicht werde. Hinzu komme, dass kein Vermögen zu verwalten sei – die mit der Vermögensverwaltung verbundene Arbeit sei aber gerade mit ein Grund gewesen, für nicht mittellose Betreute höhere Stundenzahlen festzusetzen.

    Wie bereits in einer vorangegangenen Entscheidung zur Vereinbarkeit des VBVG mit dem Grundgesetz (BverfG BtPrax 2007,122 = FamRZ 2007,303) hat das BVerfG die Vorlage auch diesmal schon aufgrund formaler Mängel als unzulässig angesehen.

    Das  BVerfG führt dazu u.a. aus:
    „...  Im Hinblick auf § 5 VBVG hat das Vorlagegericht die Verfassungswidrigkeit nicht hinreichend dargelegt. (...)

    Soweit das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass die Gruppe der nicht mittellosen Betreuten, für die eine vorläufige Betreuung lediglich mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge angeordnet ist, nicht verhältnismäßig klein sei, fehlt eine zahlenmäßige Grundlage. (...)

    Auch die weitere Annahme des Vorlagegerichts, bei vorläufigen Betreuungen, die nur die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge umfassten, sei der Zeitaufwand regelmäßig erheblich geringer als in den Pauschalen des § 5 Abs. 1 und 2 VBVG vorgesehen, ist nicht ansatzweise belegt. Die Ausführungen hierzu im Vorlagebeschluss basieren nicht auf einer empirischen Datenermittlung, sondern stellen bloße Vermutungen der vorlegenden Kammer dar. (...)

    Das Vorlagegericht stellt zudem keine Überlegungen dazu an, ob es nicht verfassungsrechtlich hinzunehmen ist, dass Vergütungspauschalen auf der Grundlage von Mischkalkulationen zwangsläufig dazu führen, dass in Einzelfällen die gesetzlich festgelegte Vergütung nicht leistungsäquivalent ist (...)

    Soweit das Vorlagegericht im Weiteren die Auffassung vertritt, für die von ihm betrachtete Fallgruppe sei die Festlegung eines geringeren Zeitansatzes denkbar, setzt es sich nicht mit der naheliegenden – zudem von der Betreuerin im Ausgangsverfahren ausdrücklich aufgeworfenen – Frage auseinander, inwieweit sich das vom Gesetzgeber eingeführte System einer auf Mischkalkulationen beruhenden pauschalierten Vergütung mit der Schaffung derartiger Ausnahmetatbestände vereinbaren lässt und ob es hierdurch nicht ausgehebelt würde. (...)“

    Es ist schade, dass damit immer noch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob nicht grundsätzlich für besondere Ausnahmefälle Öffnungsklauseln im VBVG geschaffen werden müssten, stattgefunden hat. Andererseits hat die Entscheidung aber auch etwas Gutes: Wäre das BVerfG den Vorschlägen des LG München gefolgt, hätte es zwar Ausnahmen für bestimmte Fallkonstellationen mit einem besonders geringen Zeitaufwand gegeben, wenn dazu nicht aber auch „am anderen Ende“ ebenfalls Ausnahmen für mit besonderem Aufwand verbundene Betreuungen geschaffen worden wären, hätte sich die Schieflage des derzeitigen Vergütungssystems weiter zu Lasten von Betreuern verstärkt.