Betreuer- und Vormündervergütung

Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Bundesjustizministerium hat kürzlich einen Entwurf für eine Anpassung der Vergütung für die Tätigkeit von Berufsbetreuern und beruflich tätigen Vormündern vorgelegt, der nun mit einigen kleineren Anpassungen von der Bundesregierung übernommen wurde.
15.02.2019
    • Kay Lütgens

    Es ist nicht sicher, ob dieser Entwurf tatsächlich angenommen - also von Bundestag und Bundesrat beschlossen - wird. Ebenfalls ist noch nicht sicher, wann die Neuregelung - sofern sie den angenommen wird - in Kraft treten wird.

    Der Regierungsentwurf ist - sicherlich berechtigt - bereits heftig kritisiert worden. Trotzdem sollte man sich einmal mit den genauen Inhalten auseinandersetzen.

    Im Wesentlichen sind die folgenden Neuregelungen geplant:

    1) Ablösung von Stundensätzen und Stundenansätzen durch fertig ausgerechnete Fallpauschalen, damit verbunden eine Erhöhung der Betreuervergütung um durchschnittlich 17%,

    2) Zuschläge für besondere Fallkonstellationen,

    3) Änderung des Heimbegriffs,

    4) eine Übergangsregelung sowie

    5) Erhöhung der Stundensätze für Vormünder und besondere Formen der Betreuung.

    zu 1) Die wohl auffälligste Änderung bzgl. der Betreuervergütung wird die Abkehr von den bisherigen Stundensätzen und Stundenzahlen (im Gesetz als Stundenansätze bezeichnet) sein. Stattdessen soll es für die einzelnen Fallkonstellationen fertig ausgerechnete Fallpauschalen geben. Dabei bleibt das bisherige (und verbreitet kritisierte) Stundensatzsystem im Grunde unverändert - die bisher in § 4 VBVG enthaltenen Unterscheidungen bleiben letztlich bestehen. Betreuer ohne nutzbare Fachkenntnisse werden auf Grundlage einer Vergütungstabelle A, Betreuer mit durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbaren Ausbildung erworbenen für die Führung von Betreuungen nutzbaren Fachkenntnissen nach einer Vergütungstabelle B und Betreuer mit durch eine Hochschulausbildung oder eine vergleichbaren Ausbildung nutzbaren Fachkenntnissen nach einer Vergütungstabelle C vergütet.

    Neu ist im Übrigen unter anderem, dass gem. § 5 Abs. 2 VBVG-E zusätzlich zu der höheren Vergütung für das erste Jahr einer Betreuung nun auch noch im zweiten Jahr eine deutlich höhere Vergütung als in der Folgezeit gezahlt werden soll. Die Erhöhung der Vergütung für die Zeit ab dem dritten. Jahr einer Betreuung fällt demgegenüber eher gering aus (je nach Fallkonstellation zwischen 6,7 und 15 Prozent). Insgesamt soll so aber eine Erhöhung der Vergütung um durchschnittlich 17 % erreicht werden.

    zu 2) Neben den  Fallpauschalen soll es Zuschläge für einige besonders arbeitsintensive Fallkonstellationen, geben.

    In § 5a Abs. 1, 2 VBVG-E heißt es:

    (1) Ist der Betreute nicht mittellos, wird der Betreuer mit einer zusätzlichen monatlichen Pauschale in Höhe von 30 Euro vergütet, wenn dieser die Verwaltung

    1. von Geldvermögen in Höhe von mindestens 150 000 Euro,

    2. von Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegattengenutzt wird,

    oder

    3. eines Erwerbsgeschäfts des Betreuten

    zu besorgen hat. Die Pauschale kann geltend gemacht werden, wenn einer der Fälle  des Satzes 1 an mindestens einem Tag im Abrechnungsmonat vorliegt.

    (2) Findet ein Wechsel von einem ehrenamtlichen zu einem beruflichen Betreuer statt, ist der berufliche Betreuer mit einer einmaligen Pauschale in Höhe von 200 Euro zu vergüten.

    Die typische Fallkonstellation - nach dem Umzug in eine Einrichtung muss noch die alte Wohnung gekündigt und geräumt werden, evtl. stehen auch noch Renovierungsarbeiten an und es muss die Finanzierung geklärt werden - wird leider nur teilweise berücksichtigt. Dass in dieser besonders arbeitsintensiven Situation bereits ab dem Umzug in die Einrichtung lediglich die niedrigere Vergütung für Heimbewohner beansprucht werden kann, ist von Anfang der Pauschalierung an immer wieder auf Unverständnis gestoßen. Dies müsste in Zukunft als Fall des § 5a Abs. 1 Nr. 2 VBVG-E angesehen werden - führt aber nur dann zu einem Anspruch auf die zusätzliche Pauschale, wenn keine Mittellosigkeit vorliegt.

    Die zusätzliche Pauschale des Abs. 2 i.H.v. 200 Euro soll die zusätzliche Arbeit bei Übernahme einer Betreuung von einem ehrenamtlichen Betreuer abgelten, der umgekehrte Fall - die Abgabe einer Betreuung an einen ehrenamtlichen Betreuer wird nun gem. Abs. 3 mit der einmaligen Zahlung der eineinhalbfachen der zum Zeitpunkt der Abgabe zu beanspruchenden Monatspauschale abgegolten - letzteres ist einfacher zu handhaben als die bisherige Regelung in § 5 Abs. 5 VBVG und entspricht dem Durchschnittswert der bisher gezahlten „Prämie“.

    zu 3) Für den Heimbegriff wird nun eine andere Formulierung verwendet. In § 5 Abs. 3 VBVG-E heißt es:

    „Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden.

    Im Sinne dieses Gesetzes sind

    1. stationäre Einrichtungen:

    Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden;

    2. ambulant betreute Wohnformen:

    entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.

    Ambulant betreute Wohnformen sind stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist.“

    Die teilweise geäußerten Befürchtungen, dass dadurch eine Ausweitung der Einordnung als Heim zu befürchten ist, dürften unbegründet sein. Schon nach bisherigem Recht können auch ambulant betreute Wohnformen als Heim i.S.d. § 5 VBVG bewertet werden, wenn dort im Ergebnis eine "heimmäßige Rundumversorgung aus einer Hand" vorhanden ist.

    Und in dem Entwurf steht ausdrücklich, dass ambulant betreute Wohnformen nur dann als Heim i.S.d. Vergütungsrechts anzusehen sind, "wenn der Anbieter extern angebotener Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege nicht frei wählbar ist und als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder  Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden." Im Ergebnis dürfte sich gegenüber dem derzeitigen Zustand kaum etwas ändern.

    Es ist allerdings zu befürchten, dass die neue Begrifflichkeit zunächst zu Unsicherheiten bei Rechtspflegern und Bezirksrevisoren führen kann und deshalb zunächst in einigen Rechtsmittelverfahren eine Klärung herbeigeführt werden muss. Aber letztlich dürfte sich nichts ändern.

    zu 4) Gem. § 5 Abs. 2 VBVG-E bleibt es grundsätzlich dabei, dass Veränderungen, die sich auf die Vergütung auswirken, immer ab dem Folgetag zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme davon wird es aber auch weiterhin bzgl. der Frage der Mittellosigkeit geben. Gem. § 5 Abs. 4 VBVG-E soll es bei der Berechnung der Höhe der Vergütung auch weiterhin auf die finanziellen Verhältnisse am Ende des Abrechnungsmonats ankommen - die finanziellen Verhältnisse am Tag der gerichtlichen Entscheidung werden dann auch weiterhin nur für die Bestimmung des Zahlungspflichtigen relevant sein.

    In § 12 VBVG-E gibt es aber eine Übergangsregelung, dort heißt es:

    „Auf Vergütungsansprüche von Betreuern, Vormündern, Pflegern und Verfahrenspflegern für Leistungen, die vor dem … [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4 dieses Gesetzes] erbracht wurden, ist dieses Gesetz bis zum Ende des angefangenen Betreuungsmonats in seiner bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.“

    Hierzu ein Rechenbeispiel:

    Nehmen wir an, die Betreuung wurde am 15. Juni 2017 eingerichtet und die Neuregelung wird am 1.7.2019 in Kraft treten. Der Klient lebt in einer Einrichtung und ist nicht mittellos, der Betreuer kann den höchsten Stundensatz i.H.v. 44 Euro beanspruchen.

    Das Inkrafttreten der Reform fällt in das Abrechnungsquartal 16. Juni bis zum 15.September 2019 und dort in den ersten Abrechnungsmonat (16. Juni bis 15. Juli). Für den ersten Monat kann der Betreuer noch nach „altem Recht“ 2,5 Stunden zu je 44 Euro, also insgesamt 110 Euro verlangen. Für die beiden folgenden Monate ergibt sich die Höhe der Vergütung aus der Vergütungstabelle C und dort aus der Position C5.1.2, der Betreuer kann demnach monatlich 127 Euro verlangen. Sofern nicht zusätzlich gesonderte Pauschalen gem. § 5a VBVG-E verlangt werden können beträgt der Vergütungsanspruch für dieses Quartal demnach 110 + 127 + 127 Euro, insgesamt also 364 Euro.

    Zum Vergleich: Ein vollständiges Quartal nach „altem Recht“ würde zu einem Vergütungsanspruch i.H.v. 330 Euro führen, die vollständige Abrechnung des Quartals auf Grundlage der Neuregelung zu einem Anspruch i.H.v. 381 Euro. Für diese Fallkonstellation ergibt sich also eine Erhöhung der Vergütung um ca. 15,4 Prozent.

    zu 5) Neben der Betreuervergütung soll auch die Vergütung für Vormünder erhöht werden. Dabei wird das bisherige Vergütungssystem grundsätzlich beibehalten, lediglich die Stundensätze sollen erhöht werden: anstatt des bisherigen Stundensatzes i.H.v. 19,50 Euro sollen 23 Euro gezahlt werden, der bisherige Stundensatz i.H.v. 25 Euro soll auf 29,50 Euro angehoben, der höchste Stundensatz von bisher 33,50 Euro auf 39 Euro.

    Diese Erhöhung wirkt sich zum Teil auch auf die Vergütung für andere Tätigkeiten aus - so auf die Betreuervergütung in Fällen, für die in § 6 VBVG auf eine Vergütung auf Grundlage des § 3 VBVG verwiesen wird (Ergänzungsbetreuer, Betreuer mit dem Aufgabenkreis Einwilligung in eine Sterilisation) sowie auf die Vergütung für Verfahrenspfleger.

    Eine ausführliche Stellungnahme, die auch die zum Teil massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben enthält, finden Sie in der nächsten aspekte-Ausgabe ab dem 1. April 2019.

    Der Kabinettsentwurf können Sie hier herunterladen.