Fortschritt für Betreute: Selbstbestimmungsrecht wird gestärkt

07.12.2020
  • Der deutsche Bundestag

Berlin/Hamburg, 07. Dezember 2020 | Pressemitteilung - Der Bundestag hat sich am 26. November mit dem Gesetzentwurf zur Reform des Betreuungsrechts beschäftigt. Grundsätzlich überwog Zustimmung, Kritik gab es an der Ehegattenvertretung. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB) Thorsten Becker: „Das ist ein besonderer Tag für uns. Der Reformprozess ist endlich im Parlament angekommen. Der erfolgreiche Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist deutlich in Sicht, da alle Fraktionen die Reform grundsätzlich unterstützen.“ 

Rita Hagl-Kehl, parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, stellte den Gesetzentwurf vor, der die Betroffenen noch stärker ins Zentrum rücke: „Die Behindertenrechtskonvention der UN und unser Grundgesetz lassen keinen Zweifel: „Der wichtigste Orientierungspunkt des Betreuungsrechts muss das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen sein.“

Es sprachen Politiker*innen aller Fraktionen im Bundestag. Die Redner*innen stimmten überein, dass der Gesetzentwurf im Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Klient*innen einen großen Fortschritt bedeutet. 

Der CDU/CSU-Abgeordnete Axel Müller begrüßte, dass künftig die Wünsche und Bedürfnisse der Klient*innen besser erfragt werden, wofür ein Kennenlerngespräch vorgesehen ist. Die erhöhten Aufwände müssten in der Betreuervergütung berücksichtigt werden. Er sagte: „Wir haben uns einem Evaluierungsprozess bis zum 31. Dezember 2024 unterzogen, und hier muss das unbedingt einfließen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die zuletzt vorgesehenen Reformbedingungen zu den Qualitätsanforderungen der Berufsbetreuer strenger werden sollen. Eine standardisierte Ausbildung ist sicher angezeigt.“

Sören Pellmann, Fraktion DIE LINKE, forderte „eine deutliche bessere Bezahlung“ für Berufsbetreuer*innen. Der BdB-Vorsitzende Becker kommentierte: „Wir bekommen mit der Reform deutlich mehr Qualität in die rechtliche Betreuung. Dass Qualität ihren Preis hat, der bezahlt werden muss, ist nun auch im Bundestag angekommen.“

 
Die Grünen-Abgeordnete Cornelia Rüffer lobte, dass der Begriff „Wohl“ gestrichen sei: „Richtschnur (…) sollen künftig die Wünsche des betreuten Menschen sein, nicht mehr ein allgemeines und oft falsch verstandenes Wohl.“

Ehegattenvertretung kontorvers diskutiert
 
Kontrovers diskutiert wurde die Ehegattenvertretung, die an die Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts angedockt wurde. Axel Müller kritisierte, dass die vorgeschlagene Regelung weit über eine Notvertretung hinausgehe, was zu weit gehe. Mechthild Rawert, Berichterstatterin für das Betreuungsrecht der SPD-Fraktion, forderte, dass das Für und Wider ausführlich diskutiert werden müsse. Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr fürchtet, dass mit Einführung des Ehegattennotvertretungsrechts das Selbstbestimmungsrecht des Ehegatten/der Ehegattin massiv geschwächt werde. Ihre Fraktion stellte einen eigenen Antrag, der die Ehegattenvertretung über die Vorsorgevollmacht regeln soll – mit einem Opt-in-Modell, also der bewussten Entscheidung dafür statt der jetzt vorgesehenen Widerspruchslösung.
 
Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion, appellierte an die Abgeordneten aller Fraktionen, konstruktiv am Gesetzesvorhaben mitzuwirken: „Dieses Gesetz eignet sich nicht für parteipolitisches Geplänkel, sondern es wäre gut, wenn wir mit diesem Gesetz möglichst zusammen die richtigen Entscheidungen für die Schwächeren in unserer Gesellschaft auf den Weg bringen könnten.“ Im nächsten Schritt wird die Vorlage zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dort ist der BdB als Experte am 16. Dezember vertreten und wird Stellung beziehen.