Betreuerhaftung

Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit und zur Berechnung des zu erstatteten Betrags

Wir hatten schon häufiger darauf hingewiesen: Im Sozialrecht und in einigen anderen Rechtsgebieten (z.B. im Steuerrecht) gibt es Vorschriften, nach denen Betreuer persönlich auf Rückzahlung von zu Unrecht gegenüber einem Klienten erbrachten Leistungen in Anspruch genommen werden können, siehe z.B. die §§ 34a Abs. 1 SGB II, 103, 104 SGB XII. Voraussetzung für eine persönliche Einstandspflicht eines Betreuers ist dabei aber immer, dass er vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt hat.
15.07.2017

    Über einen solchen Fall hat im Juni das Sozialgericht Ulm entschieden (Urteil v. 13.6.2017, Az. S 11 SO 1813/16), dabei ist das Gericht auch näher darauf eingegangen, unter welchen Voraussetzungen von grober Fahrlässigkeit eines Betreuers ausgegangen werden kann. Das Gericht führt in seinem Beschluss dazu u.a. aus:

    „Die Klägerin führte die zu Unrecht erbrachten Leistungen durch ihr grob fahrlässiges Verhalten herbei; sie verletzte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße. (…) sie über ein Jahr lang - entgegen ihrer Verpflichtung sich um die Vermögensangelegenheiten des Betreuten zu sorgen - nicht die erforderliche Prüfung vorgenommen hat. Als Berufsbetreuerin, der die Vermögensangelegenheiten des Betreuten übertragen sind, kommt eine Pflicht zum achtsamen und sorgsamen Umgang und regelmäßiger Verschaffung einer Übersicht mit dem zu betreuenden Vermögen zu. Indem sich die Klägerin über ein Jahr unzureichend Kenntnis über das Vermögen verschafft hat und erst verspätet die Beklagte von der Überschreitung der Freibetragsgrenzen unterrichtet hat, handelte sie grob fahrlässig.“

    Bzgl. der Berechnung des zu erstatteten Betrages nimmt das Gericht zu zwei Gesichtspunkten Stellung, die in der Praxis gelegentlich zu Problemen führen. Zum einen fordern Sozialämter in solchen Fällen gelegentlich die gesamte gezahlte Sozialhilfe zurück. Das ist unzutreffend, es kann nur der Betrag zurückgefordert werden, der bei rechtzeitiger Mitteilung an das Sozialamt nicht ausgezahlt worden wäre. Hierzu ein Beispiel: Ein Hilfeempfänger erhält monatlich 900,- Euro ergänzende Leistungen, weil er die Heimkosten nicht vollständig aus seiner Rente finanzieren kann. Er verfügt über einzusetzendes Vermögen i.H.v. 500,- Euro. Da der Betreuer die dem Sozialamt nicht mitteilt, werden trotzdem die vollständigen 900,- Euro gezahlt. In diesem Fall können lediglich die 500,- Euro zurückgefordert werden, nicht der gesamte Betrag - bei korrekter Mitteilung an den Sozialhilfe wären schließlich immer noch 400,- Euro gezahlt worden. Das Gericht schreibt dazu:

    „Da (…) auch bei nicht sozialwidrigem Verhalten teilweise Leistungen der Hilfe zur Pflege von der Beklagten an den Betreuten zu leisten gewesen wären, weil das Vermögen nicht vollständig zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätte, kann lediglich der durch das schuldhafte Verhalten verursachte höhere Leistungsaufwand geltend gemacht werden.“

    Zum anderen wird häufig davon ausgegangen, dass die einzusetzenden 500,00 Euro nur für einen Monat angerechnet werden können. Für das o.g. Beispiel würde das bedeuten, dass auch dann, wenn die Existenz der einzusetzenden Betrags über ein Jahr hinweg nicht dem Sozialamt angezeigt worden wären, lediglich 500,00 Euro zurückgefordert werden können. Diese Annahme entspricht auch dem „gesunden Menschenverstand“ - schließlich hätten die einzusetzenden 500,00 Euro nur einmal eingesetzt werdenkönnen, letztlich ist dem Sozialamt durch die unterbliebene Mitteilung lediglich ein Schaden i.H.v. 500,00 Euro entstanden. Bei rechtzeitiger Mitteilung wären die 500,00 Euro gleich im ersten Monat angerechnet worden, anschließend hätte das Sozialamt wieder in üblicher Höhe leisten müssen. Das beurteilt die Rechtsprechung aber anders - es wird Monat für Monat eine gesonderte Betrachtung angestellt. Da die „überschießenden“ 500,00 Euro im ersten Monat nicht eingesetzt wurden, waren sie in den folgenden Monaten immer noch vorhanden und werden deshalb Monat für Monat erneut als einzusetzendes Vermögen angerechnet. Für das o.g. Beispiel würde sich deshalb - wenn das Sozialamt erst nach einem Jahr von dem einzusetzenden Vermögen Kenntnis erhalten hat - gegenüber dem Betreuer eine Rückforderung i.H.v. 6000,00 Euro ergeben. Das Gericht führt dazu aus:

    „Die Kostenersatzpflicht ist der Höhe nach nicht auf das zu verwertende Vermögen beschränkt. Maßgebend ist stets der aktuelle Bedarfszeitraum. Nach dem Grundsatz der Subsidarität ist der Hilfebedürftige solange auf sein Vermögen zu verweisen, bis es verbraucht ist. Entsprechend ist auch im Erstattungsfall bzw. bei der hier streitigen Kostenersatzpflicht die gesamte überbezahlte Leistung zurückzufordern ohne Beschränkung auf die Höhe des verwertbaren Vermögens (...). Ein fiktiver Verbrauch ist nicht in Ansatz zu bringen und findet im Gesetz keine Stütze.“