Das ändert sich 2023

Aufgabenkreise und Aufgabenbereiche

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das neue Betreuungsgesetz. Dabei stellt sich rein praktisch die Frage, wie die Überleitung erfolgt. Ist man auch nach dem Jahreswechsel mit den „alten“ Aufgabenkreisen berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen? Und müssen vor oder unmittelbar nach dem 1. Januar 2023 Anträge auf Änderung der Betreuung gestellt werden? Der folgende Beitrag geht auf einige Aspekte ein.
16.12.2022
  • Katharina Rinne
    Katharina Rinne

Begriffe „Aufgabenkreis“ und „Aufgabenbereich“

Die materiell-rechtlichen Vorschriften der rechtlichen Betreuung finden sich nunmehr in den §§ 1814 – 1881 BGB-neu. § 1815 Abs. 1 BGB-neu lautet:

§1815 Abs. 1 BGB-neu

„Der Aufgabenkreis eines Betreuers besteht aus einem oder mehreren Aufgabenbereichen. Diese sind vom Betreuungsgericht im Einzelnen anzuordnen. Ein Aufgabenbereich darf nur angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist.“

Der bisher mehrdeutig verwendete Begriff „Aufgabenkreis“ meint nunmehr die Gesamtheit aller von Betreuer*innen zu regelnder Aufgaben. Die einzelnen Bestandteile des Aufgabenkreises indes, also die konkreten zu regelnden Aufgaben, werden als „Aufgabenbereiche“ bezeichnet. Diese Aufgabenbereiche müssen vom Betreuungsgericht ausdrücklich angeordnet werden. Dabei kann sich dies auch auf einzelne konkrete Maßnahmen beziehen.

Hinweis: Die Aufsichtspflicht der Betreuer*innen gegenüber den Klient*innen folgt nicht aus einem übertragenen Aufgabenbereich, sondern besteht immer aufgrund der originär der Betreuer*innen obliegenden Pflichten nach § 1821 BGB. Aufgabenbereiche können nämlich nur solche Tätigkeiten erfassen, die als Rechte und Pflichten dem*der Klient*in (ursprünglich) zustehen, nunmehr aber, z.B. aufgrund des Krankheitsbildes, einem*r Betreuer*in übertragen werden. Da der*die Klient*in aber keine gegen sich selbst gerichtete Aufsichtspflicht hat, die übertragen werden könnte, kann eine solche daher auch nicht Gegenstand eines Aufgabenbereichs sein. Es gibt also keinen Aufgabenbereich „Aufsicht über den*die Klient*in“. In gleichem Maß kann es auch keinen Aufgabenbereich „Betreten der Wohnung“ geben. (BtDrs. 19/24445, S. 234).

Für besonders eingriffsintensive Entscheidungen ist § 1815 Abs. 2 BGB-neu zu beachten:

§ 1815 Abs. 2 BGB-neu

Folgende Entscheidungen darf der Betreuer nur treffen, wenn sie als Aufgabenbereich vom Betreuungsgericht ausdrücklich angeordnet worden sind:

1. eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten nach § 1831 Absatz 1,

2. eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne des § 1831 Absatz 4, unabhängig davon, wo der Betreute sich aufhält,

3. die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Betreuten im Ausland,

4. die Bestimmung des Umgangs des Betreuten, die Entscheidung über die Telekommunikation des Betreuten einschließlich seiner elektronischen Kommunikation,

5. die Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post des Betreuten.

Die Entscheidungsbefugnis der Betreuer*innen kann bei den vorgenannten Maßnahmen also nicht in einen anders lautenden Aufgabenbereich „hineingelesen“ werden. (Bsp.: Der Aufgabenbereich „Aufenthaltsbestimmung“ umfasst nicht zugleich Entscheidungen über den gewöhnlichen Aufenthalt, wenn dieser Auslandsbezug hat). Mit § 1815 Abs. 2 BGB-neu ist somit ein Kontrollmechanismus für Maßnahmen mit einer erheblichen Eingriffsintensität implementiert, ohne dass diese unter den Vorbehalt einer richterlichen Genehmigung gestellt sind. Sie müssen lediglich explizit als Aufgabenbereich festgelegt werden.

Hinweis: Da ärztliche Zwangsmaßnahmen nach § 1906a BGB (ab 1.01.2023 § 1832 BGB-neu) grundsätzlich immer auch eine gerichtliche Genehmigung bedürfen, sind diese nicht im Katalog des § 1815 Abs. 2 BGB-neu aufgenommen.

Der Erforderlichkeitsgrundsatz nach § 1814 Abs. 1 S. 3 BGB-neu

Dem Erforderlichkeitsgrundsatz kommt eine besondere Rolle zu; für jeden einzelnen vom Betreuungsgericht angeordneten Aufgabenbereich muss die Erforderlichkeit bestehen. Der Erforderlichkeitsgrundsatz wird damit explizit auch auf den Umfang der Betreuung bezogen. Dies macht der Gesetzgeber deutlich, indem es in § 1815 Abs. 1 S. 3 BGB heißt: „Ein Aufgabenbereich darf nur angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist.“ Dies soll gewährleisten, dass die Betreuung nicht über den im konkreten Fall erforderlichen Unterstützungsbedarf hinausgeht (Bt-Drs. 19/24445, S. 135).

Allerdings bedarf es keines bereits konkret bestehenden Handlungsbedarfs. Eine solche Einengung wäre auch wenig praktikabel. Denn wenn die Zulässigkeit der Anordnung eines Aufgabenbereichs erst dann möglich würde, wenn ein akuter Handlungsbedarf eingetreten ist, besteht die Gefahr, dass es dann – jedenfalls für eine geordnete Betreuungstätigkeit – „zu spät“ ist. Und in Hinblick auf § 1864 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB, wonach Betreuer*innen Umstände mitteilen müssen, die eine Einschränkung des Aufgabenkreises ermöglichen oder dessen Erweiterung erfordern, würde eine Beschränkung der Aufgabenbereiche auf einen konkret bestehenden Handlungsbedarf möglicherweise auch eine fortlaufende Anpassung der Aufgabenbereiche nötig machen. Im extremsten Fall würde das einen täglichen Wechsel von akuter Handlungsbedarf besteht, akuter Handlungsbedarf ist wieder weggefallen, bedeuten. Hinreichend ist insoweit, dass zum Zeitpunkt der Anordnung eine zukünftig absehbare Handlungsbedürftigkeit besteht oder ein Handlungsbedarf unvermittelt auftreten kann (Bt-Dr. 19/24445, S. 234).

Übergangsvorschriften

Übergangs- und Ergänzungsvorschriften, die mit einer Gesetzesänderung notwendig werden, finden sich im Einführungsgesetz zum BGB (kurz EGBGB). In Art. 229 EGBG wurde vom Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 54 eine solche für die Übergangsphase der Betreuungsreform geschaffen.

Art. 229 § 54 EGBGB

(1) Eine bei Ablauf des 31. Dezember 2022 bestehende Geschäftsfähigkeit besteht fort.

(2) Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 2023 wird die Bestellung eines Gegenvormunds und eines Gegenbetreuers wirkungslos.

(3) Ist am 1. Januar 2023 ein Betreuer zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt, ist der Aufgabenkreis bis zum 1. Januar 2024 nach Maßgabe des § 1815 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu ändern.

(4) Auf Betreuungen, die am 1. Januar 2023 bestehen, findet § 1815 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zum 1. Januar 2028 keine Anwendung. Bei der nächsten Entscheidung über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung oder im Rahmen eines gerichtlichen Genehmigungsverfahrens nach § 1831 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat das Betreuungsgericht über den Aufgabenkreis nach Maßgabe des § 1815 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu entscheiden.

(5) Betreuer, die erstmals durch § 1859 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit sind, haben bis zum Ablauf des am 1. Januar 2023 noch laufenden Betreuungsjahres Rechnung zu legen.

(6) Auf vor dem 1. Januar 2023 abgeschlossene Vorgänge bleibt das bisherige Internationale Privatrecht anwendbar.

Für die Bestimmung des § 1815 Abs. 2 Nr. 5 BGB-neu („Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post“) ist keine Übergangsvorschrift vorgesehen; die Notwendigkeit eines hierzu berechtigenden Aufgabenbereichs gilt somit unmittelbar bereits zum 1. Januar 2023. Dies ist logisch, da auch bisher für solche Maßnahmen ein ausdrücklich zugewiesener Aufgabenkreis notwendig ist/war. Hier ergeben sich Änderungen daher lediglich hinsichtlich der Bezeichnung, nicht aber auch des Inhalts.  

Gut zu wissen

  • Bisherige Aufgabenkreise bleiben zunächst bestehen und bilden die Grundlage für ein Tätigwerden der Betreuer*innen auch über den 1. Januar 2023 hinaus.  
  • Dies gilt – bis zu einer bestimmten Frist – selbst dann, wenn der bisherige Aufgabenkreis nicht dem Befugnisumfang eines Aufgabenbereichs nach neuem Recht entspricht.
  • Eine „Anpassung“ des Aufgabenbereichs erfolgt in der Folgezeit regelmäßig im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen über Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung oder gerichtlicher Genehmigungsverfahren nach § 1831 Abs. 2 BGB-neu.
  • Arbeitsorganisatorisch könnten Sie die „alten“ Aufgabenkreise jedoch bereits sukzessive in Aufgabenbereiche nach neuem Recht „überführen“ lassen.

Die einzelnen (neuen) Aufgabenbereiche

Eine Auflistung der Aufgabenbereiche ist nicht möglich, denn diese können letztlich vielfältig sein. Eine Typisierung ist auch bewusst nicht gewollt (Bt-Drs. 19/24445, S. 234). Wie weit oder eng der Aufgabenbereich gesteckt wird, bleibt – im Rahmen des gesetzlich vorgegeben Spielraums – dem jeweiligen Betreuungsgericht überlassen. Wenn also bisher unter den Aufgabenkreis „Wohnungsangelegenheit“ pauschal sämtliche mit der Wohnung im Zusammenhang stehende Angelegenheiten den Betreuer*innen übertragen wurde, könnte dies nunmehr als Aufgabenbereich „Abschluss und Kündigung Mietvertrag“, „Wahrnehmung der Mieterinteressen“ oder „Einsehen und Überprüfung der Betriebskosten“ konkretisiert werden; und nur zur Wahrnehmung dieser Aufgaben ist der*die Betreuer*in dann verpflichtet und berechtigt.

Nachfolgend werden die sich für einige – bisher als Aufgabenkreise bezeichnete – Tätigkeitsfelder möglicherweise ergebenen inhaltlichen Änderungen dargestellt. Dabei wird auf die Besonderheit in der Übergangsphase eingegangen.

Bisheriger Aufgabenkreis „in allen Angelegenheiten“

Eine allgemein gefasste Betreuung „in allen Angelegenheiten“, die zwar auch heute schon eher die Ausnahme bildet, aber eben nach bisherigem Recht zulässig ist, wird es nicht mehr geben. Sofern zum 1. Januar 2023 eine solche Betreuung (noch) bestellt ist, ist der Aufgabenkreis bis spätestens zum 1. Januar 2024 zu ändern (Art. 229 § 54 Abs. 3 EGBGB).

​​​​​​​Gut zu wissen

  • Prüfen Sie, ob Sie eine solche Betreuung führen und wirken Sie frühestmöglich nach dem 1. Januar 2023 darauf hin, dass das Betreuungsgericht die notwendigen Aufgabenbereiche konkretisiert. So kann ein „sauberer“ Übergang gewährleistet werden. Aufgrund des Erforderlichkeitsgrundsatzes mag die Umwandlung in einzelne Aufgabenbereiche auch einige Zeit in Anspruch nehmen.
  • Spätestens zum 1. Januar 2024 ist eine Betreuung „in allen Angelegenheiten“ nicht mehr zulässig.

Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmung“

Zwei wesentliche Änderungen sind zu nennen: Der Aufgabenbereich „Aufenthaltsbestimmung“ berechtigt nicht (mehr), die Unterbringung der*des Klienten*in zu veranlassen oder aufenthaltsbezogene Entscheidungen mit Auslandsbezug zu treffen.

Unterbringung als ausdrücklich zugewiesener Aufgabenbereich nach § 1815 Abs. 2 Nr. 1 BGB-neu

Von Bedeutung ist die explizite Anordnung eines solchen Aufgabenbereichs für die Fälle, in denen die Unterbringung wegen Gefahr in Verzug zunächst auch ohne richterliche Genehmigung erfolgen dürfte (§ 1831 Abs. 2 S. 2 BGB-neu). Ohne einen auf Unterbringung konkretisierten Aufgabenbereich ist zukünftig eine entsprechende Veranlassung jedoch nicht mehr möglich. Hier kommt der Übergangsvorschrift allerdings eine besondere Bedeutung zu; denn für bereits zum 1. Januar 2023 bestehende Betreuungen findet diese Einschränkung noch keine Anwendung (Art. 229 § 54 Abs. 4 EGBG); erst ab 1. Januar 2028 wird es keine „Ausnahmen“ mehr geben. Allerdings wird es hilfreich sein, frühzeitig eine Erweiterung des Aufgabenbereiches nach dem neuen Recht zu beantragen; andernfalls steht zu befürchten, dass es bei Eintritt einer Krisensituation zur Auseinandersetzung mit den weiteren Beteiligten über Ihre Berechtigung kommt.

Erfolgt die Unterbringung dabei gegen den Willen der*des Klient*in, bedarf es – wie auch bisher –einer gerichtlichen Genehmigung. Auch hier bleiben Betreuer*innen, wenn die Betreuung bereits zum 1.  Januar 2023 bestand, antragsberechtigt, und der Aufgabenbereich würde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens dann – nach dem neuen Recht – erweitert werden.

Bei nach dem 1. Januar 2023 übertragenen Betreuungen findet die Einschränkung des § 1815 Abs. 2 Nr. 1 BGB-neu unmittelbar Anwendung.

​​​​​​​Gut zu wissen

  • Führen Sie zum 1. Januar 2023 eine Betreuung und tritt eine Krisensituation ein, die eine Unterbringung notwendig macht, sind Sie auch mit einem „alten“ Aufgabenkreis berechtigt, eine Unterbringung zu veranlassen und – bei Unterbringung gegen den Willen des*der Betroffenen – eine richterliche Genehmigung zu beantragen.
  • Führen Sie zum 1. Januar 2023 bereits eine Betreuung, bei der absehbar eine Unterbringungsentscheidung anstehen wird, sollten Sie bereits im Vorfeld eine Erweiterung des Aufgabenbereichs veranlassen, um „unnötigen“ Streit mit anderen Beteiligten zu vermeiden.
  • Spätestens zum 1. Januar 2028 berechtigt ein „alter“ Aufgabenkreis Betreuer*innen nicht mehr, Unterbringungsentscheidungen zu treffen.  

Aufenthalt mit Auslandsbezug als ausdrücklich zugewiesener Aufgabenbereich nach § 1815 Abs. 2 Nr. 3 BGB-neu

Wird der gewöhnliche Aufenthalt des*der Klient*in durch den*die Betreuer*in ins Ausland bestimmt, kann dies mit erheblichen Folgen für den*die Klient*in verbunden sein. So unterfällt er*sie dann ggfls. nicht mehr den Regelungen des deutschen Betreuungsrechts, und auch erbrechtlich oder familienrechtlich könnten sich nachteilige Veränderungen ergeben. Geht z.B. der – vielleicht aus Kostengründen veranlasste – Wechsel in ein ausländisches Pflegeheim nicht mit der Aufgabe des bisherigen Wohnraums einher, gibt es keine Kontrollmöglichkeit des Gerichts, da keine genehmigungspflichtige Maßnahme betroffen ist. Zum Schutz des*der Klientin hat daher der Gesetzgeber dies nunmehr dahingehend geändert, dass solche Entscheidungen ab 1. Januar 2023 ohne ausdrücklich bezeichneten Aufgabenbereich nicht mehr möglich sind.

Aber auch hier greift die Übergangsvorschrift des Art 229 § 54 Abs. 4 EGBGB. Für zum 1. Januar 2023 geführte Betreuungen gilt diese Einschränkung daher noch nicht.

​​​​​​​ Gut zu wissen

  • Führen Sie zum 1. Januar 2023 eine Betreuung und wünscht der*die Klient*in einen Umzug ins Ausland, bedarf es (noch) keines konkretisierten Aufgabenbereichs, um das Notwendige zu veranlassen. Eine vorherige Änderung des Aufgabenbereichs mag jedoch angezeigt sein, um Konflikte mit Beteiligten zu vermeiden.
  • Spätestens zum 1. Januar 2028 berechtigt ein „alter“ Aufgabenkreis nicht mehr, Aufenthaltsentscheidungen mit Auslandsbezug zu treffen.

Bisheriger Aufgabenkreis „Vermögenssorge“

Der Oberbegriff „Vermögenssorge“ soll nicht vollständig ausgeschlossen werden (Bt-Dr. 19/24445, 314); allerdings wird wohl in Hinblick auf den Erforderlichkeitsgrundsatz der bisherige Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ nicht eins zu eins in einen Aufgabenbereich „Vermögensangelegenheiten“ übertragen werden können - jedenfalls nicht, ohne dass das Betreuungsgericht den tatsächlichen oder absehbar notwendigen Betreuungsbedarf in einem solchen Umfang feststellt. So könnten Aufgabenbereiche „Geltendmachung von Sozialleistungen“ oder „Geltendmachung eines Rentenanspruchs“ (so als Beispiel ausdrücklich im Referentenentwurf des BMJ, S. 154) denkbar sein.

Eine Übergangsvorschrift ist hier nicht vorgesehen und auch nicht notwendig, da sich mit der Reform ab 1. Januar 2023 eine zwar begriffliche, aber keine entscheidenden inhaltlichen Änderungen des Aufgabenkreises Vermögenssorge ergibt. Allerdings sollten Betreuer*innen in der Folgezeit ein besonderes Augenmerk darauf haben, ob der Aufgabenkreis bzw. dann Aufgabenbereich auf einzelne Bereiche konkretisiert werden kann. Dies folgt allerdings aus der allgemeinen betreuerischen Mitteilungspflicht nach § 1864 BGB-neu und ist keine sich mit der Reform ergebende neue „Besonderheit“.  

​​​​​​​Gut zu wissen

  • Führen Sie zum 1. Januar 2023 eine Betreuung mit Aufgabenkreis „Vermögenssorge“, so können auch in der weiteren Zeit hiermit Maßnahmen ergriffen werden.
  • Im Rahmen der Mitteilungspflicht obliegt es jedoch den Betreuer*innen, in der Folgezeit zu „sortieren“, in welchem Maße und für welche Tätigkeiten ein vermögensrechtlicher Betreuungsbedarf im Einzelfall besteht.
  • Arbeitsorganisatorisch könnte bereits mit einer Prüfung begonnen werden, wie umfassend die Vermögensangelegenheiten bei jedem*r Klient*in sind, um auf eine zeitnahe und geordnete „Anpassung“ hinzuwirken.

Inhaltlich ergibt sich eine nunmehr gesetzlich bestimmte Pflicht, § 1821 BGB-neu (Wunsch und Wille) als Grundnorm betreuungsrechtlichen Handelns nicht nur im Bereich der Personensorge, sondern auch im Bereich der Vermögenssorge zu beachten.

§ 1838 BGB-neu

(1) Der Betreuer hat die Vermögensangelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe des § 1821 wahrzunehmen. Es wird vermutet, dass eine Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten nach den §§ 1839 bis 1843 dem mutmaßlichen Willen des Betreuten nach § 1821 Absatz 4 entspricht, wenn keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden mutmaßlichen Willen bestehen.

(2) Soweit die nach Absatz 1 Satz 1 gebotene Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten von den in den §§ 1839 bis 1843 festgelegten Grundsätzen abweicht, hat der Betreuer dies dem Betreuungsgericht unverzüglich unter Darlegung der Wünsche des Betreuten anzuzeigen. Das Betreuungsgericht kann die Anwendung der §§ 1839 bis 1843 oder einzelner Vorschriften ausdrücklich anordnen, wenn andernfalls eine Gefährdung im Sinne des § 1821 Absatz 3 Nummer 1 zu besorgen wäre.

Das Selbstbestimmungsrecht der Klient*innen (Wunschbefolgung) wird nun auch in Bezug auf ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten betont. Was bisher lediglich über die Verweisung des § 1908i BGB auf das Vormundschaftsrecht erfasst war, ist nunmehr ausdrücklich direkt im Betreuungsrecht geregelt. Damit wird den Bedürfnissen eines Erwachsenen, der – im Gegensetz zum Mündel – zum Zeitpunkt der Betreuungsbestellung i.d.R. bereits über eigenes Vermögen verfügt und dieses nach eigenen Wertvorstellungen verwaltet hat, gerecht. Es geht im Betreuungsrecht eben (anders als bei einem Mündel) nicht darum, das Vermögen zu schützen und zu erhalten, sondern erwachsenen Klient*innen in der Vermögensverwaltung gemäß ihren Wünschen und Vorstellungen zu unterstützen. Auch wirtschaftlich unvernünftig erscheinende Wünsche der Klient*innen sind daher zu beachten, wenn diese auf einem freien Willen beruhen. Da dies nicht bedeutet, die Verantwortung für ein schädigendes Verhalten auf eine*n entscheidungsunfähige*n Klient*in abzuwälzen, sieht § 1821 Abs. 2 BGB eine gesonderte gerichtliche Aufsicht vor, wenn von einer sicheren Vermögensverwaltung nach den §§ 1839 bis 1843 BGB-neu abgewichen werden soll. Es wird sich letztendlich aber wohl in den nächsten Jahren zeigen müssen, inwieweit dieser „Spagat“ in der praktischen Umsetzung funktionieren wird.