Vergütungserhöhung: BdB kommentiert Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates

01.04.2019
    • Gebäude des Bundesrates

    Berlin/Hamburg, 1. April 2019 - In der letzten Woche haben der Rechts- und der Finanzausschuss des Bundesrates Empfehlungen für die Stellungnahme des Bundesrates zum aktuellen Gesetzesentwurf zur Betreuervergütung beschlossen. Darüber wird der Bundesrat am 12. April befinden, dazu wiederum die Bundesregierung bis zum 30. April Stellung nehmen. Beide Stellungnahmen gehen dann in das parlamentarische Verfahren zunächst im Bundestag. Die erste Lesung ist für den 4. April vorgesehen, die zweite und dritte für den Mai geplant (siehe auch Grafik in der aktuellen aspekte). Die Beschlüsse der Ausschüsse im Wortlaut siehe Anlage.

    Dazu eine erste

    Auswertung und Bewertung der Beschlussvorlage für die Stellungnahme des Bundesrates

    Dem Bundesrat liegen für seine Sitzung am 12. April 2019 Beschlussempfehlungen seines Rechtsausschusses (federführend) und seines Finanzausschusses vor. Diese bestehen aus einem allgemeinen resolutionsartigen Teil und konkreten Änderungsanträgen zum Gesetz. Beide enthalten nach Einschätzung des BdB höchst toxische Elemente.

    Zu den konkreten Änderungsanträgen:

    Gemäß Zf. 5 soll die Evaluierung erst fünf Jahren nach Inkrafttreten  erfolgen und erst nach deren Abschluss ein Bericht darüber veröffentlicht werden. Im Regierungsentwurf war noch von einer Evaluierung innerhalb von vier Jahren mit Bericht bis zum 31.12.2024 die Rede.

    In Verbindung damit soll das Gesetz gemäß Zf. 6 erst am 1.1.2020 in Kraft treten. Das bedeutet, dass mit einer Evaluierung frühestens am 1.1.2025 begonnen werden kann und somit Änderungen an der jetzigen Regelung in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages (vors. 2021 – 2015) nicht möglich sein werden.

    Eine weitere Änderung (Zf. 4) betrifft die Aufwandsentschädigung für Verfahrenspfleger im FamFG, die von 4,- Euro auf 3,50 Euro gesenkt werden soll. Das betrifft die Betreuervergütung nicht unmittelbar, es wird aber in der Begründung auf den Bezug zur Betreuervergütung abgestellt.

    Weiter soll (Zf. 2) bei den der Vergütungseinstufungen zugrunde liegenden Ausbildungen neben der „Nutzbarkeit“ auch die „Notwendigkeit“ herangezogen werden. Das konterkariert noch mehr als bisher die Bestrebungen des BdB, von den Vergütungsstufen weg und hin zu einer einheitlichen Vergütung aufgrund einer einheitlichen Ausbildung und Qualifikation zu kommen.

    Auch in den allgemeinen zunächst resolutionsartigen Teilen der Stellungnahme sind einige sehr problematische Teile und für den weiteren Reformprozess möglicherweise tödliche Elemente enthalten.

    Unter Zf. 1c) wird eine Kompensation der Mehrbelastung der Länder in Höhe von 157 Mio. (Anm.: wenn es wirklich zu einer durchschnittlichen Erhöhung um 17 % käme) durch eine Anpassung des Umsatzsteueranteils der Länder gefordert. Was passiert, wenn der Bund das nicht macht?

    Unter Zf. 1d) wird eine „Strukturreform“ der Betreuung gefordert. Dahinter verbergen sich offenbar Überlegungen zu einer Trennung von rechtlicher und sozialer Betreuung und möglicherweise der Aufgabenübertragung auf die kommunalen Betreuungs- bzw. Sozialbehörden.

    Unter Zf. 1 e) aa) wird eine weitere Propagierung der Vorsorgevollmachten gefordert. Das ist wegen der in der Vergangenheit auch medial immer wieder deutlich gewordenen Missbrauchsmöglichkeit und mangelnden Aufsicht und Kontrolle, die dann häufig der Betreuung angelastet werden, extrem kritisch zu sehen. Ähnliches gilt für die unter Zf. 1 e) bb) geforderte Ausweitung ehrenamtlicher Betreuungen im Familienkreis. Angesichts der zunehmenden Komplexität gerade der Durchsetzung sozialer Teilhaberechte dürfte die Bereitschaft und Eignung in diesem Bereich weiter abnehmen. Ein Ansatz könnte die vom BdB vorgeschlagene Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer auch durch Betreuungsbüros sein (Tandemmodell). Das könnte ein hier von den Ländern geforderter „Impuls“ sein.

    Unter Zf. 1 e) cc) werden dann klare Regelungen zur Fallzahlbegrenzung gefordert. Das wäre für den weiteren Reformprozess ein „k.o.-Kriterium“ für den BdB. Allem Anschein nach haben sich hier am Ende entgegen anderslautender Zusagen doch Initiativen aus NRW durchgesetzt.

    Unter Zf. 1 e) dd) sollen die Rechtspfleger hinsichtlich der Vergütungseinstufung weisungsgebunden durch Landesbehörden werden. Hier bahnt sich dann offenbar eine neue Herabstufungswelle an.   

    Mit Blick auf die – zeitlich gestreckte – Evaluation sollen unter Zf. 1 e) ee) weitere „Befugnisse und Komptenzen“ zur Prüfung der Organisation und Buchführung von Berufsbetreuern geschaffen werden. Hier kündigen sich weitere Eingriffe in die unternehmerische Freiheit und zudem erheblicher Aufwand gerade für Betreuungsbüros an. Zudem handelt es sich hier nicht um fachliche Kriterien, die von den Aufsichtsbehörden auch gar nicht überprüfbar wären, sondern lediglich um weitere formale Kriterien.

    Schließlich findet unter Zf. 7 der Stellungnahme eine Auseinandersetzung mit der Gesetzesbegründung statt. Auch diese enthält einige mit Blick auf den weiteren Reformprozess kritische Elemente.

    So wird eine „Erhöhung des Zeitaufwandes“ begrüßt, die aber angesichts der Zusammenfassung von Stundensätzen und Stundenansätzen zu einer Fallpauschale gar nicht stattfindet.

    Vor allem aber wird Kritik an der Vergleichsberechnung der Kosten eines Vereinsbetreuers geübt. Während der BdB in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf auf einige aus seiner Sicht deutlich zu niedrig angesetzte Positionen hingewiesen hat, halten die Ausschüsse folgende Positionen für zu hoch angesetzt:

    -          Kosten für die Aufsicht, Weiterbildung und Versicherung in den Betreuungsvereinen seien ausschließlich der Querschnittsarbeit und nicht der Betreuungsarbeit zuzuordnen und deshalb bei er Vergleichsberechnung nicht zu berücksichtigen,

    -          der Sachkostenaufschlag sei zu hoch bemessen, selbst wenn Aufwendungen für Dolmetscher (!) hier berücksichtigt werden.

    Fazit

    Die von den Ausschüssen angeregten konkreten Gesetzesänderungen sind geeignet, die jetzt beabsichtigten Änderungen (Inkrafttreten und Evaluationszeitraum) erneut auf lange Sicht festzuschreiben. Aus Sicht des BdB stellt dieser Regierungsentwurf allenfalls einen ersten Schritt dar, der wegen der nicht erreichten durchschnittlichen Erhöhung um 17 Prozent selbst als solcher unzureichend ist.

    Wenn die im allgemeinen Teil formulierten Forderungen durch Beschluss des Bundesrates zur gültigen Position der Länder werden, dürfte das zum Ende des Reformprozesses in der jetzt angedachten Form führen. Alle dort aufgestellten Punkte stehen jeder Weiterentwicklung entgegen. Das gilt namentlich für die Fallzahlbegrenzung, die offenbar beabsichtigte Weiterführung und restriktive Handhabung der Vergütungsstufen und die geforderte „Strukturreform“.

    Dem Vernehmen nach beruhen die Ausschussbeschlüsse auf Anträgen aus einzelner Länder, die dann durch Enthaltungen einiger Länder möglich wurden. In den Ausschüssen wird nach Ländern abgestimmt.

    Die Bundesregierung hat sich dem Vernehmen nach bei den Ausschussberatungen gegen diese Änderungen ausgesprochen.

    Der BdB wird in einem dringenden Schreiben an die Ministerpräsidenten der Länder (als „Stimmführer“ im Bundesrat) unsere Kritik vorgetragen werden, möglichst um eine Beschlussfassung im Bundesrat in dieser Form am 12.4.2019 zu verhindern, spätestens aber im weiteren Gesetzgebungsverfahren davon Abstand zu nehmen.

    Wir werden die Bundesregierung und die Bundestagsfraktionen auffordern, den Änderungswünschen des Bundesrates nicht zuzustimmen. Die Bundesregierung wird ja bis zum 30.4.2019 Stellung nehmen und beide Stellungnahmen gehen dann in die weitere Ausschussberatung ein. Eventuell sollte eine Anhörung im Rechtsausschuss verlangt werden, die vor der zweiten Lesung im Mai stattfinden sollte.

    Soweit irgend möglich werden Vorstand und Landesgruppen Gesprächstermine aller Art vereinbaren. Für den 12. April sind Gespräche mit Landesjustizministern angefragt, am 1. April findet ein Gespräch mit Dirk Heidenblut (MdB, SPD) statt, bei Axel Müller (MdB, CDU/CSU) ist ein Gespräch angefragt.

    Wir müssen zu erreichen, dass der Bundestag am Ende dem Gesetzentwurf ohne die vom Bundesrat geforderten Änderungen zustimmt, und zwar mit einer gleichmäßigen statt angeblich „durchschnittlichen“ Erhöhung um 17 Prozent.