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Rechtsausschuss empfiehlt gravierende Änderungen

Betreuerregistrierung am 8. Juli im Bundesrat

Der Bundesrat entscheidet am 8. Juli über die Betreuerregistrierungsverordnung, das Thema steht als TOP 37 für die Sitzung auf der Tagesordnung. Der Rechtsausschuss des Bundesrats hat nun Stellung zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) genommen und zum Teil gravierende Änderungen vorgeschlagen.
01.07.2022

Die Vorschläge des Rechtsausschusses sind in der Bundesratsdrucksache 248/1/22 enthalten, die von der Internetseite des Bundesrats heruntergeladen werden kann.

Im Wesentlichen sind dort die folgenden Empfehlungen enthalten:

1. Angabe des zeitlichen Umfangs in Zeitstunden anstatt in Unterrichtseinheiten.

Der Umfang der Sachkundekurse soll in 270 Zeitstunden und nicht in 360 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten angegeben werden.

2. Mehr Selbstlernphasen (und eine geringere Teilnahme an Präsenz- und Online-Veranstaltungen) für Hochschulabsolventen.

In den Vorbemerkungen zu der Tabelle mit den einzelnen Inhalten des Sachkundelehrgangs soll es heißen: „Die Inhalte der Module werden grundsätzlich in Lehrveranstaltungen vermittelt, die in Präsenz oder online durchgeführt werden und praktische Übungen umfassen. Prüfungszeiten sind in vorgeschriebenen Zeitstunden enthalten. Antragsteller, die über einen Hochschulabschluss verfügen, können bis zu 50 Prozent der Zeitstunden des jeweiligen Moduls mit Ausnahme der Module 10 und 11 in Selbstlernphasen absolvieren. Alle übrigen Antragsteller können bis zu 15 Prozent der Zeitstunden des jeweiligen Moduls mit Ausnahme der Module 10 und 11 in Selbstlernphasen absolvieren.“

3. Registrierung auf Grundlage von teilweiser Sachkunde in Verbindung mit Berufserfahrung oder der Tätigkeit als ehrenamtlicher Betreuer.

In § 7 BtrRegV soll ein neuer Absatz 5 eingefügt werden, er soll lauten: „(5) Kann der Antragsteller Teilbereiche der Kenntnisse nach § 3 anderweitig nachweisen und verfügt er über eine mehrjährige für die Führung der Betreuung nutzbare Berufserfahrung, die einem Nachweis nach Absatz 2 im Wesentlichen gleichwertig ist, oder eine entsprechende mehrjährige Erfahrung als ehrenamtlicher Betreuer, kann die Stammbehörde auf Antrag im Einzelfall entscheiden, dass seine Sachkunde im Übrigen vermutet wird. Diese Entscheidung ist bezogen auf den Einzelfall zu begründen.“

4. Kein Sachkundenachweis von Volljuristen*innen sowie Absolventen der Studiengänge Sozialpädagogik und Soziale Arbeit

§ 7 Abs. 5 BtRegV soll wie folgt geändert werden: „Die für die Registrierung erforderliche Sachkunde gilt bei Antragstellern mit der Befähigung zum Richteramt und denjenigen, die ein Studium der Sozialpädagogik oder der Sozialen Arbeit erfolgreich abgeschlossen haben, als nachgewiesen.“

Diese Änderungen wären für diejenigen schon bisher tätigen Berufsbetreuer*innen relevant, die die Tätigkeit erst nach dem 31.12.2019 aufgenommen haben und deshalb noch einen Sachkundenachweis erbringen müssen, daneben würden sie auch Berufseinsteiger*innen ab dem 1.1.2023 betreffen. Es ist verständlich, wenn betroffene Betreuern und Betreuerinnen zunächst mit einer gewissen Erleichterung reagieren – für viele von ihnen wäre es mit weniger zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden, im Registrierungsverfahren die erforderliche Sachkunde nachzuweisen. Trotzdem bestehen gegenüber den Vorschlägen des Rechtsausschusses des Bundesrats erhebliche Bedenken.

Ein Hauptanliegen des Reformgesetzes ist neben der Verankerung einer stärkeren Berücksichtigung der Wünsche der betreuten Personen die Qualitätssicherung und dazu gehört es, dass sichergestellt wird, dass jeder Berufsbetreuer über ein gewisses Grundwissen verfügt. Dieses Ziel könnte bei Umsetzung der Vorschläge des Rechtsausschusses nicht mehr erreicht werden. Damit würde eines der wesentlichsten Ziele der Reform verfehlt werden. Es wäre bedauerlich, wenn der Erfolg der mit viel Mühe und unter Beteiligung etlicher Fachleute und Verbände entwickelten Betreuungsrechtsreform nun durch die vom Rechtsausschuss vorgeschlagenen Änderungen erheblich eingeschränkt werden würde. Auch würde die mit der Reform ursprünglich verbundene Anerkennung der Betreuung als eigenständiger Beruf erheblich eingeschränkt werden. Die berufliche Führung von Betreuungen würde weiterhin als etwas empfunden werden, was von Angehörigen anderer Berufsgruppen oder auch nach einiger Zeit ehrenamtlicher Tätigkeit „auch einfach mal so“ und ohne besondere zusätzliche Kenntnisse miterledigt werden kann.

Zu den einzelnen Vorschlägen:

zu 1. – Angabe des zeitlichen Umfangs in zeitstunden anstatt in Unterrichtseinheiten

Dieser Vorschlag verwundert – ein besonderer Sinn ist nicht erkennbar. Unter anderem wird damit argumentiert, dass dadurch ein „Ausufern“ der Sachkundekurse durch unklare Angaben der Anbieter vermieden werden soll. Nun handelt es sich bei den Vorgaben zum zeitlichen Umfang um Mindestanforderungen, es spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn auch umfangreichere Kurse angeboten werden und möglicherweise gibt es (angehende) Berufsbetreuer, die sich gründlicher vorbereiten wollen. Man sollte angehenden Berufsbetreuern zutrauen können, dass sie die Angebote der verschiedenen Anbieter miteinander vergleichen und das für sie passende Angebot herausfiltern können – unabhängig davon, ob die Angaben zum Umfang in (den üblichen und deshalb geläufigen) Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten oder in Zeitstunden angeben. Und falls ein Anbieter durch unklare oder ungenaue Angaben versuchen in seiner Werbung potentielle Teilnehmer zu einer Teilnahme an einem unnötig umfangreichen (und dementsprechend teureren) Kurs zu veranlassen, könnte das bereits im Anerkennungsverfahren gem. § 8 BtRegV korrigiert werden.

Andererseits würden sich durch diese Änderung auch keine Nachteile ergeben. Es ist aber befremdlich, dass der Rechtsausschuss einen erheblichen Teil seiner Empfehlungen diesem eher unbedeutend wirkenden Thema widmet. Möglicherweise ist der Hintergrund das Bestreben, es durch eine möglichst kleine Zahl zu vermeiden, dass Interessenten*innen für den Beruf durch eine höhere Stundenzahl abgeschreckt werden. Das hätte aber wiederum zur Folge, dass der Eindruck entsteht, dass für die berufliche Führung von Betreuungen nur wenig Sachkenntnis erforderlich ist.

zu 2. – mehr Selbstlernphasen (und eine geringere Teilnahme an Präsenz- und Online-Veranstaltungen) für Hochschulabsolventen

Gegen diesen Änderungsvorschlag bestehen erhebliche Bedenken. Es ist fraglich, ob im Rahmen einer Abschlussprüfung ausreichend sicher festgestellt werden kann, ob das innerhalb der Selbstlernphasen erworbene Wissen in einem ausreichenden Umfang und mit dem erforderlichen Tiefgang erlernt worden ist. Erfahrungsgemäß kann Wissen zudem besser in einer Lehrveranstaltung, in der auch Rückfragen sowie Diskussionen und ein Austausch unter den Teilnehmern möglich sind, vermittelt werden. Es besteht die Gefahr, dass durch diese Änderung die Wertigkeit der Sachkundelehrgänge und der Registrierung erheblich vermindert werden würde.

zu 3. – Registrierung auf Grundlage von teilweiser Sachkunde in Verbindung mit Berufserfahrung oder der Tätigkeit als ehrenamtlicher Betreuer

Auch hiergegen bestehen erhebliche Bedenken – die Umsetzung dieses Vorschlags würde zu einer nicht nachvollziehbaren Aufweichung und Entwertung des gesamten Systems führen.

Zunächst ist es bereits ein Widerspruch, wenn man im Rahmen des Registrierungsverfahrens keine praktischen Erfahrungen (Praktika) verlangt, weil man diese für unwichtig hält, die Stammbehörde dann aber nach eigenem Ermessen entscheiden darf, dass praktische Erfahrungen die Teilnahme an einem Sachkundekurs obsolet machen.

Im Übrigen werden die Voraussetzungen nur sehr ungenau beschrieben, es ist zu befürchten, dass es zu ganz unterschiedlichen Entscheidungen durch die verschiedenen Behörden kommt, die – zumindest bei denjenigen Interessenten, deren Erfahrung nicht als ausreichend angesehen wird - den Eindruck der Zufälligkeit und Ungerechtigkeit hinterlassen und zu an sich unnötigen Gerichtsverfahren führt, wenn die negative Entscheidung der Behörde als ungerecht empfunden wird.

Im Extremfall könnte es dem reinen Wortlaut nach schon ausreichen, wenn über zwei Jahre hinweg eine ehrenamtliche Betreuung geführt wurde. Dabei muss man bedenken, dass ehrenamtliche Betreuer*innen sehr häufig aus dem Nahbereich ihres Klienten stammen und schon deshalb einen gewissen „Draht zu ihm haben“, aus „gesunden Tagen“ seine Grundeinstellungen kennen und gelernt haben, mit ihm zu kommunizieren. Das heißt aber noch lange nicht, dass dies ohne spezielle Kenntnisse über die Kommunikation mit psychisch kranken Menschen und die unterstützte Entscheidungsfindung auch auf den Umgang mit fremden Menschen übertragen werden kann und dass im Übrigen ein ausreichend breites Grundwissen vorhanden ist.

zu 4. – kein Sachkundenachweis von Volljuristen*innen sowie Absolventen der Studiengänge Sozialpädagogik und Soziale Arbeit

Diese Forderung ist nicht nachvollziehbar und eine Umsetzung würde den Erfolg der Reform erheblich gefährden.

Es ist richtig, dass Volljuristen*innen in der Lage sein sollten, sich eigenverantwortlich schnell in unbekannte Rechtsgebiete einzuarbeiten. Man kann es dahingestellt lassen, ob dies tatsächlich immer der Fall ist und ob auch immer die Bereitschaft dazu besteht, dies auch auf freiwilliger Basis zu tun. Fest steht aber, dass Juristen*innen nicht notwendig auch über Kenntnisse über den Umgang und die Kommunikation mit psychisch kranken Menschen und  die Grundlagen der unterstützten Entscheidungsfindung verfügen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass solche Kenntnisse außerhalb der Ausbildung - etwa im Alltagsleben - erworben worden sind. Dies dürfte in Anbetracht der überwiegenden sozialen Herkunft  und des damit verbundenen Lebensweges (solides Elternhaus, Abitur, Studium und Referendariat) eher fernliegen. Von daher wäre es angebracht, es bei der bisher vorgesehenen verpflichtenden Teilnahme an den Modulen 4, 10 und 11 zu belassen.

In Bezug auf Absolventen der Studiengänge Sozialpädagogik und Soziale Arbeit gilt entsprechendes – bei diesen kann man nicht davon ausgehen, dass ihnen der Zugang zu rechtlichen Fragestellungen so leicht fällt, dass auf eine Teilnahme an den für die Sachkundekurse vorgesehenen Module 1 bis 7 verzichtet werden kann.

Alleine diese vorgeschlagene Änderung würde dazu führen, dass 44 % der Berufsbetreuer ohne verlässlich festgestellten Erwerb der notwendigen Sachkunde registriert werden würden.

Resümee

Wie Schon eingangs erwähnt, würden die vom Rechtsausschuss des Bundesrats vorgeschlagenen Änderungen der BtRegV die ursprünglich vorgesehenen Anforderungen an beruflich tätige Betreuer*innen erheblich aufweichen. Es ist zu befürchten, dass eine Umsetzung die Ziele der anstehenden Reform des Betreuungsrechts – u.a. die Garantie, dass Berufsbetreuer*innen über ein gewisses fachliches Grundwissen verfügen und ausreichend für den Umgang sowie eine angemessene Kommunikation mit psychisch kranken Menschen geschult sind – zumindest gefährdet. Die erwünschte Anerkennung der beruflichen Betreuung als Beruf mit einer eigenen Fachlichkeit würde stark beeinträchtigt werden.

In der Vergangenheit wurde von den Justizministern der Länder häufig geäußert, dass „Betreuung jeder kann, der auch seine eigenen Angelegenheiten regeln kann“. Als Beispiel wurde in der Vergangenheit gelegentlich auf die „patente Hausfrau“ verwiesen, die ihre eigenen Angelegenheiten „im Griff hat“ und deshalb auch die Angelegenheiten Dritter regeln könne. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Klienten und Klientinnen von Berufsbetreuer*innen häufig mit Problemen konfrontiert sind, die im Leben des Durchschnittsbürgers nicht vorkommen. Wer es schafft, hin und wieder einen neuen Personalausweis zu beantragen, sich nach einem Umzug umzumelden und einmal im Jahr seine Steuererklärung abzugeben, kann deshalb noch lange nicht die Probleme eines Menschen bearbeiten, der drogenabhängig ist, über keinen Krankenversicherungsschutz verfügt dem Wohnungslosigkeit droht. Erst recht kann er nicht „automatisch“ sinnvoll mit psychisch kranken Menschen kommunizieren und bei allen bestehenden Schwierigkeiten auch deren Selbstbestimmungsrecht ausreichend beachten.

Man gewinnt den Eindruck, dass versucht wird, die „alte Linie“ der Justizminister der Länder („Betreuung kann jeder“) fortzuführen und die positiven Ansätze der anstehenden Reform „durch die Hintertür“ (in diesem Fall durch die Aufweichung der Anforderungen an Berufsbetreuer*innen  in der BtRegV) zu torpedieren.