"Die Ehegattenvertretung ist Unsinn!"

Die Berichterstatterin für Betreuungsrecht der SPD-Fraktion sieht das Selbstbestimmungsrecht in Gefahr

„Wenn wir es mit der Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes ernst meinen, dann hat die Ehegattenvertretung im neuen Betreuungsrecht nichts verloren“, sagte die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD) im Gespräch mit dem BdB.
17.12.2020
  • Portrait von Frau Mechthild Rawert

„Wenn wir es mit der Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes ernst meinen, dann hat die Ehegattenvertretung im neuen Betreuungsrecht nichts verloren“, sagte die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD) im Gespräch mit Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB) und BdB-Geschäftsführer Dr. Harald Freter.

Auch beim BdB sieht man das Thema kritisch. Thorsten Becker: „Wir sind der Auffassung, dass die Ehegattenvertretung nicht zum Ansinnen des Gesetzentwurfes passt, die rechtliche Betreuung an der UN-Behindertenrechtskonvention auszurichten und das Selbstbestimmungsrecht der Klientinnen und Klienten zu stärken. Maximal ist sie geeignet, um den Aufwand der Gerichte zu minimieren.“ Oft wünschten sich gerade hoch betagte Ehepartner andere Vertreter*innen, so Becker weiter: „Die Gründe können vielfältig sein. Aus unserer Sicht sind die besten Instrumente Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung. Daran halten wir fest.“ Hintergrund: Ehegatt*innen sollen zukünftig über Heilbehandlungen, operative Eingriffe oder das Unterlassen von bestimmten Behandlungsmaßnahmen auch dann entscheiden dürfen, wenn der oder die Betroffene keine Vorsorgevollmacht oder keine Betreuungsverfügung formuliert und unterschrieben hat – dies allerdings als befristetes Notfallrecht. Gesprochen wurde auch über die Sorge vieler Bundesländer, dass im Zuge der Reform das Ehrenamt geschwächt werden könnte. Die Berichterstatterin für die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts der SPD-Fraktion im Bundestag sieht in einem gemeinsamen Wirken von Ehren- und Hauptamt eine Chance für mehr Qualität: „Ehrenamt braucht Hauptamt. Gesellschaftliche und eigene Ansprüche an das Ehrenamt sind gewachsen. Alle Ehrenamtlichen wollen qualitativ auf hohem Niveau tätig sein. Daher braucht es Qualifizierung. Daher braucht es auch gut finanzierte Betreuungsvereine.“ Zustimmung beim BdB. Thorsten Becker: „Wir sehen seit Jahren einen Rückgang bei ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern. Wenn man das Ehrenamt langfristig retten will, braucht man zwingend parallel dazu einen professionellen Kern. Betreute, die von Ehrenamtlichen unterstützt werden, haben den gleichen Anspruch auf Qualität wie Klient*innen von Berufsbetreuerinnen und -betreuern. Die Menschenrechte unterscheiden nicht zwischen Ehrenamt und Hauptamt.“ Der Gesetzentwurf – da waren sich die Gesprächspartner einig – enthält im Grundsatz viele wichtige Punkte, die zu mehr Qualität führen werden und daher noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden sollten. Neben der starken Ausrichtung am Selbstbestimmungsgedanken der UN-BRK, sei dies die Einführung eines Registrierungsund Zulassungsverfahrens auf Grundlage der persönlichen und fachlichen Eignung. Dr. Harald Freter: „Wir brauchen eine bessere Anerkennung des Berufsbildes Betreuung.“

Über die Eignungskriterien und Kompetenzen werde noch zu reden sein. Sie werden im Rahmen einer Rechtsverordnung definiert. Der BdB unterstützt eine Forderung des Bundesrates. Harald Freter: „Danach soll es eine Positivliste von Berufen geben, bei denen unwiderlegbar vermutet werden kann, dass Sachkunde vorhanden ist.“