„Die Reform des Betreuungsrechts ist überfällig“ Bundestagsabgeordneter Dr. Jürgen Martens (FDP) warnt vor zu viel Bürokratie

30.09.2020
  • Vier Männer sitzen um einen Tisch herum und reden

Berlin/Hamburg, 30. September 2020 | Pressemitteilung – „Die Neuordnung des Betreuungsrechts ist überfällig“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Jürgen Martens im Gespräch mit Hennes Göers, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Berufsbetreuer*innen, und BdB-Geschäftsführer Dr. Harald Freter. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag warnt jedoch vor allzu wuchernder Bürokratie: „Man muss aufpassen, dass Berufsbetreuer*innen nun nicht mit Berichts- und Dokumentationspflichten derart überfrachtet werden, dass die Arbeit für die Klient*innen nicht mehr handhabbar ist. Damit wäre den Menschen nicht gedient.“

Die BdB-Vertreter bestätigten, dass schon jetzt die Zahl der Berichte und Dokumentationen stark zugenommen habe. Hennes Göers, der den Betreuungsverein Bremerhaven leitet, sagte: „Über kleinste Entwicklungen und Veränderungen sind Berichte zu schreiben. Jeder Schritt ist zu dokumentieren. In jedem konkreten Einzelfall. Wenn die Kommunikation mit Behörden einfacher wäre, hätten wir schon viel gewonnen. Allein der Kontakt mit dem Jobcenter raubt unverhältnismäßig viel Kraft und Zeit. Zum Teil muss ich mehrfach anrufen und viele Briefe schreiben, um eine einzige Steuer-ID für einen Klienten oder eine Klientin zu bekommen.“

Jedoch gäbe es auch sinnvolle Maßnahmen, die den betreuten Menschen dienten. So richte sich der Gesetzentwurf an den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention aus. Das neue Betreuungsrecht werde in erster Linie Unterstützung bedeuten und die Stellvertretungs-kompetenz werde nur noch ein nachrangiger Teil der Betreuung sein. Künftig soll am Beginn einer Betreuung ein Kennenlerngespräch stehen, und die Klient*innen werden in die Jahresberichte einbezogen. Dr. Harald Freter: „Dies sind sinnvolle Maßnahmen, die der Selbstbestimmung der Menschen dienen. Wir kritisieren lediglich, dass das Gesetz nicht formuliert, wie die Mehraufwände vergütet werden sollen. In einem Büro, das etwa 60 Klient*innen betreut, kommen da rund 220 Stunden pro Jahr zusammen, vorsichtig gerechnet.“ Hennes Göers ergänzte: „Dafür muss es eine Lösung geben. Wir können nicht noch mehr unbezahlte Mehrarbeit leisten.“ Der BdB erwartet, dass die Mehraufwände mindestens in die Evaluation einfließen, die bis Ende 2024 erfolgen soll.

Ausdrücklich begrüßt der BdB die Einführung eines Zulassungs- und Registrierungsverfahrens auf Grundlage persönlicher und fachlicher Eignung. Damit werde die Profession Betreuung erstmals als Beruf anerkannt. Rechtspolitiker Martens hält dies ebenfalls für einen wichtigen Schritt, sieht jedoch die künftige Form der Zulassung bei den Behörden kritisch: „Die Anerkennung des Berufs ist von zentraler Bedeutung. Wir müssen jedoch aufpassen, dass hier nicht an falscher Ecke abgebogen wird.“ Jürgen Martens unterstützt das Konzept des BdB für eine Selbstverwaltung des Berufsstandes mit eigener Kammer: „Als alter Freiberufler weiß ich nur zu gut, dass Gerichte intransparent agieren können und die Zulassung allein durch staatliche Institutionen Gefahren bergen kann. Eine funktional staatsunabhängige Selbstverwaltung dient dem System Betreuung und damit der Qualität.“

Dazu Hennes Göers: „Aktuell sind Berufsbetreuer*innen vom Wohlwollen der Gerichte und Behörden abhängig. Auch deshalb streben wir langfristig eine Selbstverwaltung mit Kammer sowie eine Ausbildung auf Hochschulniveau an.“

Einig waren sich die Gesprächspartner darin, dass der Gesetzentwurf einen wichtigen Schritt für die Reform des Betreuungsrechts darstellt. Er soll noch in dieser Legislaturperiode von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Am 23. September passierte der Entwurf das Bundeskabinett. Nun beginnt das parlamentarische Verfahren.