BdB-Jahrestagung 2016

Qualitätsstandards, Berufskammer, höhere Vergütung – und politische Statements

21.04.2016

    Mit Grußworten u. a. von Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), der bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm, des bayerischen Staatsministers der Justiz Winfried Bausback sowie Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, wurde die diesjährige Jahrestagung des BdB im unterfränkischen Bad Kissingen eröffnet. Sie steht unter dem Motto: „Profession Betreuung: Verantwortung braucht Unabhängigkeit“.

    Bundesjustizminister Maas unterstrich die Bedeutung der beruflichen Betreuung als wichtige Säule des Betreuungswesens. Der BdB habe in seinen Leitlinien wichtige Standards zur Qualität in der Betreuung entwickelt. Der BMJV-Ministerialdirigent Dr. Johannes Christian Wichard fügte hinzu, das derzeitige rechtstatsächliche Forschungsvorhaben  „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ werde dem Bundesministerium helfen, die Betreuungspraxis besser zu verstehen, um dann zu überprüfen, wo und welche Anpassungen notwendig seien. Sowohl bei Qualitätsstandards in der rechtlichen Betreuung als auch bei der Vergütung der Berufsbetreuer/innen.

    Bayerns Landtagspräsidentin Stamm sprach sich für eine ausreichende zeitliche Bemessung des Betreuungsaufwands und eine angemessene Vergütung aus. In ihrem Grußwort schrieb sie: „Wie auch in vielen anderen Berufen, in denen Menschen für andere Menschen Verantwortung tragen, brauchen Sie für Ihre wichtige und verantwortungsvolle Arbeit die richtigen Rahmenbedingungen. Denn es geht nicht nur um die Würde der Hilfsbedürftigen, sondern auch um Ihre Würde. Der Dienst am Menschen muss uns das wert sein.“

    Bayerns Justizminister Bausback hob in seinem Grußwort hervor: „Ich schätze die Arbeit der Berufsbetreuer sehr – Sie alle leisten einen unverzichtbaren und hochwertigen Beitrag dazu, es Menschen zu ermöglichen, trotz einer Behinderung oder Krankheit am Leben teilzuhaben.“ Betreuung brauche Qualität und Qualität habe ihren Preis. Deshalb, so Bausback, bedürfe es der Überprüfung, ob die seit zehn Jahren unverändert gültigen Vergütungspauschalen noch eine hochwertige Berufsbetreuung gewährleisteten. Bausback begrüßte die rechtstatsächliche Untersuchung des BMJV zu Qualität und Vergütung. Im November 2016 lägen erste Ergebnisse vor: „Soweit die Studie eine Notwendigkeit der Vergütungsanpassung zur Sicherung der Qualität der Betreuung nachvollziehbar belegen sollte, wird Bayern eine maßvolle Erhöhung unterstützen.“

    Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele ließ durch ihre Referentin Friederike Kilian den BdB-Mitgliedern übermitteln: „Ohne Verbände wie Ihrem wäre es nicht möglich, Inklusion in Deutschland voranzutreiben.“ Bentele erwarte ein zügiges Handeln des Gesetzgebers, wenn die Ergebnisse des rechtstatsächlichen Forschungsvorhabens vorlägen. Dabei sei es erfreulich, dass die Frage der Vergütung von Berufsbetreuern prioritär behandelt werde.

    Claus Fussek, Sozialpädagoge, Pflegekritiker und Buchautor („Im Netz der Pflegemafia“), hob als Impulsredner der BdB-Jahrestagung in seinem Vortrag hervor: „Bei Pflege und Betreuung gibt es keine Gegner. Jeder ist für optimale Bedingungen.“ Er kritisierte, dass von Politik und Gesetzgebung für längst bekannte Erkenntnisse immer wieder neue Schleifen gedreht würden, nun mit einem rechtstatsächlichen Forschungsvorhaben. Es sei dringend notwendig, so Fussek, sich schnell auf Mindeststandards und Mindestanforderungen zu einigen, die ein menschenwürdiges Leben garantieren würden. Denn die Realität der Pflegesituation sei unvorstellbar: „Was heute in unseren Pflegeheimen geschieht, ist eine der größten Humankatastrophen nach dem zweiten Weltkrieg. Das Recht auf Menschenwürde ist in Deutschland altersabhängig geworden.“ Und Fussek forderte Angehörige, Pflegekräfte und rechtliche Betreuer auf: „Verschließen Sie nicht die Augen. Benennen Sie die Missstände, um sie zu bekämpfen.“
    Der BdB-Vorsitzende Thorsten Becker hob hervor: „Wir Berufsbetreuerinnen und -betreuer nehmen die Garantenstellung ein für die Berechtung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen.“ Der BdB sei ein Verband mit großer Bodenhaftung. „Wir werden uns mit dem Thema Missstände in der Pflege weiter zu beschäftigen haben.“

    Der als „Kammerpapst“ bekannte Prof. Dr. Winfried Kluth zeigte die Chancen auf, die eine Berufskammer für die Sicherung der Qualität in der Betreuung darstellt. Dort wo Menschenrechte berührt seien, führte Kluth in seinem Vortrag „Gesellschaftliche Verantwortung und berufliche Selbstverwaltung“ aus, seien verfahrensrechtliche und organisatorische Rahmen zu schaffen, damit diese Menschenrechte gesichert werden. Der Staat delegiere wichtige Handlungen und Entscheidungen auf besonders qualifizierte Berufsträger, insbesondere bei den so genannten Vertrauensberufen, bei denen ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Klient/in und Berufsträger und eine hohe Verantwortlichkeit im Handeln der Berufsträger vorliegen. Wie etwa bei Ärzten, Rechtsanwälten oder jüngst Psychotherapeuten, für die Berufskammern die Berufszulassung, Berufsordnung, Weiterbildung und Qualitätssicherung sowie die Berufsaufsicht übernehmen. Berufskammern, die ihre Aufsichtspflicht ernst nehmen und gegen schwarze Schafe vorgehen, würden einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung leisten. Auch Betreuer sei, so Prof. Kluth, ein Vertrauensberuf. Das Arbeitsfeld von Betreuer/innen habe zudem gesamtgesellschaftliche Relevanz. Wobei er Berufsverbände als sinnvolle Ergänzung von Berufskammern ansieht.

    Auf der Delegiertenversammlung im Rahmen der Jahrestagung stellt der BdB-Vorstand sein Konzept für eine Berufskammer vor – ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Profession und ein Impuls in der Qualitätsdiskussion. Ziel ist es, der Betreuung als Vertrauensberuf auf Grundlage einer einheitlichen Qualifikation und professioneller Qualitätsstandards zur Anerkennung zu verhelfen und wirksame Mechanismen zur Qualitätssicherung zu etablieren.

    Der BdB-Vorsitzende Thorsten Becker unterstrich in seiner Eröffnungsrede: „Wir fordern und wollen, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auf eine qualitativ abgesicherte Betreuung verlassen können“. Die Berufskammer sei ein Aspekt. Dringend erforderlich seien verbindliche Qualitätsstandards in der Betreuung, aber auch in der Aus- und Weiterbildung von Betreuer/innen sowie eine schnelle adäquate Erhöhung der seit zehn Jahren unveränderten Vergütung und abrechenbaren Stundensätze. „Wir gehen davon aus“, so Becker weiter, „dass die rechtstatsächliche Untersuchung belegen wird, dass die Stundenkontingente und -sätze bei weitem nicht mehr ausreichen, um unseren Klientinnen und Klienten die gebotene Qualität bieten zu können. Viele von uns erbringen diese Leistungen unbezahlt. Es ist dem großen Engagement vieler Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, dass das Betreuungssystem noch nicht kollabiert ist.“