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Betreuungsreform

Bundestag macht Weg für Reform frei

Am Freitagnachmittag stimmten die Abgeordneten dem Gesetzentwurf mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD zu. Die FDP stimmte gegen das Gesetz, die übrigen Oppositionsfraktionen enthielten sich. Damit ist ein wichtiges Etappenziel für Berufsbetreuer*innen erreicht: Das Selbstbestimmungsrecht der Klient*innen wird gestärkt, der Beruf Betreuung endlich anerkannt.
08.03.2021
Beruf Betreuung Betreuungsreform Recht

Ziel der Reform ist es, das Vormundschafts- und Betreuungsrecht umfassend zu modernisieren und neu zu strukturieren. Durch die Reform will der Gesetzgeber die Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen stärken, indem er das Betreuungsrecht am Selbstbestimmungsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausrichtet. „Das ist ein großer Fortschritt, der das Qualitätsniveau der rechtlichen Betreuung heben wird“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB) Thorsten Becker. „Endlich wird die Selbstbestimmung der Klient*innen in den Mittelpunkt der Betreuung gestellt und die Stellvertretung in den Hintergrund gerückt. Dafür haben wir uns jahrelang eingesetzt. Der Mensch und seine Wünsche stehen im Mittelpunkt.“ Die Unterstützung von Klient*innen bekommt eine vorrangige Stellung vor der Stellvertretung. „Damit wird Betreuung als Prozess definiert, der Menschen darin unterstützt, eigene Entscheidungen zu treffen, autonom und selbstbestimmt. Das ist gut“, so Becker weiter.


Als wichtigen Schritt für den Berufsstand bewertet der BdB, dass künftig ein bundesweit einheitliches Zulassungsverfahren auf der Grundlage persönlicher und fachlicher Eignung zum Beruf führen soll. Thorsten Becker: „Nach fast 30 Jahren wird der Betreuerberuf damit erstmals anerkannt.“ Die Vergütung wird außerdem rechtssicher festgelegt und Herabstufungen wird es nicht mehr geben.Die Bundestagsabgeordneten folgten in ihrer Entscheidung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, der noch umfangreiche Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen hatte.

 
So sollen für den Sachkundenachweis keine „vertieften Kenntnisse“ des Betreuungs- und Unterbringungsrechts erforderlich sein, sondern lediglich „Kenntnisse“. „Ein kleines, aber wichtiges Detail“, sagt Becker. „Dies darf nicht dazu führen, dass die Anforderungen zu sehr reduziert werden. Rechtliche Betreuung ist ein komplexer und anspruchsvoller Beruf. Die Klient*innen dürfen erwarten, dass Berufsinhaber*innen ihren Job beherrschen. Es besteht die Gefahr, dass diese Änderung als falsches Signal verstanden wird.“ Es werde nun auf die Rechtsverordnung ankommen, die noch zu erarbeiten ist.

Künftig soll die Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit eines Betreuten nicht mehr entfallen, wenn ein Betreuer in dem Verfahren auftritt, sondern nur, wenn der Betreuer dies für erforderlich hält. Die bestehende Regelung hatte das Selbstbestimmungsrecht der Klienten eklatant verletzt, so Thorsten Becker: „Immerhin wird nun der Automatismus durchbrochen, wonach die Prozessfähigkeit eines/einer Klient*in endet, wenn er/sie die Unterstützung eines Betreuers oder einer Betreuerin in Anspruch nimmt. Die Neuregelung ist somit ein erster guter Schritt in die richtige Richtung, jedoch noch keine befriedigende Lösung.“

 
Die Ehegattenvertretung wurde von drei auf sechs Monate erweitert. Aus Sicht des BdB widerspricht die Ehegattenvertretung grundsätzlich dem Selbstbestimmungsgedanken der UN-BRK. Thorsten Becker: „Wir lehnen die Ehegattenvertretung daher ab und sehen folglich auch die Erweiterung kritisch.“

Als deutliche Verbesserung wertet der Verband, dass für Berufsbetreuer*innen, die bereits länger als drei Jahre tätig sind, auch ohne Sachkundenachweis das neue Vergütungsrecht gelten soll. Sie werden automatisch in die Vergütung eingestuft, die ihrer Ausbildung entspricht.
 

Im nächsten und letzten Schritt muss der Bundesrat über die Reform entscheiden. Der BdB hofft, dass die Entscheidung bei der Sitzung der Länderkammer am 26. März fällt. So könnte das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

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