
Verweigerung ist unbegründet
- Beruf Betreuung
- Recht
Regelungsgehalt des § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB
In § 1815 Abs. 2 BGB werden diejenigen Aufgabenbereiche bezeichnet, in denen ein*e Betreuer*in nur bei deren ausdrücklicher Anordnung durch das Betreuungsgericht tätig werden und Entscheidungen treffen darf. Hierdurch sollen die Grenzen der Handlungsmacht des*der Betreuers*in deutlich gemacht werden. Kennzeichnend für diese Aufgabenbereiche ist, dass ihre Wahrnehmung mit einer erhöhten Eingriffsintensität im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten verbunden ist. (vgl. Bt-Drs. 19/24445, S. 235.)
Das Postgeheimnis ist gem. Art. 10 Abs. 1 GG unverletzlich und in dieses darf nach Art. 10 Abs. 2 GG nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung eingegriffen werden. Um dieses Postgeheimnis zu schützen bzw. eine gesetzliche Regelung für den ausnahmsweise zulässigen Eingriff in das Grundrecht zu schaffen, ist der gesonderter Aufgabenbereich „Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post“ in den Katalog von § 1815 Abs. 2 BGB aufgenommen worden.
Aus dem Postgeheimnis folgt aber lediglich, dass verschlossene Briefe und andere verschlossene Schriftstücke, die an einen Dritten gerichtet sind, nicht geöffnet werden dürfen und sich auch nicht auf andere Weise durch die Anwendung technischer Mittel Kenntnis von deren Inhalten verschafft werden darf (vgl. § 202 StGB und den dort beschriebenen Tatbestand der Verletzung des Briefgeheimnisses).
Übertragen auf das Betreuungsrecht schützt das Postgeheimnis mithin nur an den*die Klient*in adressierte Briefe oder Schriftstücke. § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB soll (in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen) eine Grundlage dafür schaffen, dass Betreuer*innen die an eine*n Betreute*n adressierten Briefe auf sich umleiten und öffnen dürfen. Dies ist nur zulässig, wenn andernfalls die Betreueraufgaben nicht in der gebotenen Weise erfüllt werden können und hierdurch wesentliche Rechtsgüter des*der Betreuten gefährdet oder beeinträchtigt würden, vgl. BGH, Beschluss vom 21.10.2020, Az. XII ZB 153/20, Rn 20ff.
§ 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB erfasst somit ausdrücklich nur das Öffnen von an die Klient*innenadressierte Post oder Schriftstücke. Bei der Frage der Kommunikation von Dritten mit den Betreuer*innen ist dieser Bereich schon nicht betroffen, denn die Briefe und Schriftstücke werden unmittelbar an den*die Betreuer*in und eben nicht an den*die Klient*in adressiert.
Kein Verbot zur Kommunikation von oder mit Dritten
§ 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB ist auch kein dahingehendes Verbot der Kommunikation von Dritten mit den Betreuer*innen zu entnehmen.
Gerade weil das Postgeheimnis im Grundgesetz besonders geschützt ist und deshalb dieser Aufgabenbereich nur unter sehr engen Voraussetzungen übertragen werden darf, kann dieser nicht zugleich die Kommunikation zwischen Betreuer*innen und Dritten erfassen. Andernfalls müsste bei jeder Betreuung regelhaft auch die Postkontrolle angeordnet werden, damit Betreuer*innen überhaupt ihre Aufgaben erledigen können. Einen solchen Grundrechtseingriff vorzunehmen, nur weil Dritte sich andernfalls weigern, mit den Betreuer*innen direkt zu kommunizieren, würde einer Entmündigung gleichkommen.
Wenn man eine solche (falsche) Rechtsauffassung konsequent weiterführen würde, wäre im Übrigen auch eine telefonische Kontaktaufnahme zwischen Betreuer*innen und Dritten wegen einer eine betreute Person betreffenden Angelegenheit untersagt, sofern nicht auch der Aufgabenbereich „Entscheidung über die Telekommunikation“ nach § 1815 Abs. 2 Nr. 5 BGB übertragen wurde.
Weiterer Aspekt bei Kommunikation zwischen Betreuer*innen und Sozialleistungsträgern
Gemäß § 11 Abs. 3 SGB X i.V.m. §§ 53 und 55 ZPO kann der*die Betreuer*in in einem Sozialverfahren in jeder Lage des Verfahrens gegenüber dem Leistungsträger erklären, dass der Rechtsstreit fortan ausschließlich durch ihn bzw. sie geführt wird (Ausschließlichkeitserklärung). Mit Eingang der Ausschließlichkeitserklärung steht die betreute Person für den weiteren Rechtsstreit einer nicht handlungsfähigen Person gleich.
Betreuer*innen können demnach das Verfahren jederzeit an sich ziehen. Diese Bestimmung würde indes ins Leere gehen, wenn trotzdem nicht zwischen Betreuer*innen und Sozialleistungsträgern kommuniziert werden dürfte, solange nicht auch zugleich die Postkontrolle nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB übertragen wurde.
Entsprechendes gilt auch im Verwaltungsverfahren (§ 12 Abs. 3 VwVfG), im Zivilprozessrecht (§ 53 ZPO) und nahezu allen weiteren Verfahrensarten. Im Zivilprozessrecht ist sogar ausdrücklich in den §§ 170, 170a ZPO festgelegt, dass Schriftstücke in bestimmten Fällen auch an den*die Betreuer*in zu übersenden sind; von einer Einschränkung, dass dies nur bei gesonderten Aufgabenbereich nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB zulässig oder geboten sei, steht dort nichts.
Fazit:
- Es bedarf für die Kommunikation zwischen Betreuer*innen und Dritten alleine einen den jeweiligen Sachverhalt betreffenden Aufgabenbereich nach § 1815 Abs. 1 BGB, nicht aber zugleich eines besonderen Aufgabenbereichs nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB.
- § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB verlangt also weder einen Aufgabenbereich für die Kommunikation zwischen Dritten und Betreuer*in, noch lässt sich dieser Vorschrift ein Verbot einer solchen Kommunikation entnehmen.
Insoweit könnte eine Kommunikation zwischen Dritten und Betreuer*innen lediglich datenschutzrechtlich bedenklich sein, da mit der Kommunikation in der Regel auch ein Austausch der persönlichen Daten des*der Betroffenen einhergeht. Und es ergeben sich weitere Besonderheiten, wenn der Dritte besonderen Schweigepflichten nach § 203 StGB unterliegt.
Mit diesen (wesentlich komplexeren) Fragen wird sich ein Beitrag in der nächsten Ausgabe unserer Verbandszeitschrift bdbaspekte beschäftigen.