Bundesfinanzhof

Keine Umsatzsteuerpflicht für Verfahrensbeistände!

Berufsbetreuer gehen verbreitet auch noch weiteren Tätigkeiten nach – unter anderem sind viele Berufsbetreuer auch als Verfahrensbeistand tätig. Mit seinem Urteil vom 17.7.2019. Az. V R 27/17, hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden, dass die Vergütung für beruflich tätige Verfahrensbeistände i.S.d. § 158 FamFG nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegt!
03.10.2019

    Die Begründung ähnelt der Argumentation, mit der der BFH im Jahr 2013 die Umsatzsteuerpflicht für Berufsbetreuer verneint hat und die Entscheidung hat auch vergleichbare Auswirkungen.

    Verfahrensbeistände erhalten eine sogenannte Inklusivvergütung, das heißt, dass der Ersatz für Aufwendungen sowie eine etwaige auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer in der pauschal festgelegten Vergütung enthalten sind, siehe § 158 Abs. 7 FamFG. Die Höhe der Vergütung ist daher unabhängig davon, ob der betreffende Verfahrensbeistand Umsatzsteuer abführen muss oder ob er z.B. als Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG von der Umsatzsteuerpflicht befreit ist. Wie schon seinerzeit bei Berufsbetreuern kann die Umsatzsteuerbefreiung deshalb zu einem höheren Einkommen führen. Wegen des dann entfallenden Vorsteuerabzugs und der höheren Einkommenssteuer wird das durch die Tätigkeit als Verfahrensbeistand erzielte Nettoeinkommen zwar nicht um 19 Prozent, aber immerhin um circa 12 Prozent höher ausfallen.

    In Bezug auf bereits abgeführte Umsatzsteuer verhält es sich wie folgt:

    Wichtig ist, dass zunächst die Bestandskraft eventuell vorhandener Steuerbescheide bzw. der Eintritt der sogenannten Festsetzungsverjährung – soweit dies noch möglich ist - verhindert wird, um sich Rückzahlungsansprüche offen zu halten. Deshalb muss rechtzeitig beim Finanzamt beantragt werden, die Umsätze aus der Tätigkeit als Verfahrensbeistand umsatzsteuerfrei zu stellen.

    Die Festsetzungsverjährung ist in den §§ 169 ff AO geregelt. Solange kein (bestandskräftiger) Bescheid besteht, kann die vom Finanzamt entgegengenommene oder (vorläufig) festgesetzte Steuer noch jederzeit neu berechnet werden, sie ist also noch frei änderbar. Diese Möglichkeit endet erst, wenn die sogenannte Festsetzungsverjährung eintritt. Diese Festsetzungsverjährung tritt bzgl. der Umsatzsteuer nach 4 Jahren ein. Der Ablauf dieser Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist: Wenn eine Steuererklärung oder -anmeldung abzugeben ist, beginnt die Frist mit Ablauf des Jahres, in dem die Erklärung/Anmeldung abgegeben wurde.

    Anträge auf Steuerfestsetzung oder auf Änderung oder Aufhebung einer Steuerfestsetzung sowie Rechtsmittel gegen einen Steuerbescheid führen zur sogenannten Hemmung der Ablauffrist – d.h.,  dass die Festsetzungsverjährung zunächst nicht eintritt.

    In Bezug auf bereits gezahlte Umsatzsteuer ergibt sich daraus Folgendes:

    Bzgl. der Umsatzsteuer wird regelmäßig zu Beginn des Folgejahres die Jahressteuererklärung abgegeben, für das Jahr 2014 ist das also überwiegend Anfang des Jahres 2015 geschehen. Die vierjährige Frist für die Festsetzungsverjährung beginnt also mit Ende des Jahres 2015 zu laufen und endet deshalb Ende des Jahres 2019. Sofern bisher kein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt, können für diesen Zeitraum noch bis Ende dieses Jahres Änderungsanträge gestellt werden. Das gilt erst Recht für die nachfolgenden Jahre.

    Für das Jahr 20013 ist allerdings bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten (Abgabe der Steuererklärung üblicherweise Anfang 2014, Beginn der 4-Jahres-Frist Anfang 2015, Ablauf demnach Ende 2018), für 2013 und frühere Jahre wären Festsetzungs- oder Änderungsanträge deshalb jetzt nicht mehr möglich.

    Weitere Voraussetzung ist, wie bereits geschrieben, dass noch kein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt.

    Insoweit gibt es im Wesentlichen 3 Fallkonstellationen:

    1) Die Umsatzsteuer wurde überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Jahressteuererklärung abgegeben. Das Finanzamt hat die Zahlung entgegengenommen und sonst nichts unternommen oder lediglich eine Mitteilung über die erhaltenen Beträge übersandt.

    Dann gibt es keinen "richtigen" Bescheid, der bestandskräftig werden könnte, bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung kann das Finanzamt die Steuer deshalb noch anders festsetzen.

    2) Auch hier wurde die Umsatzsteuer regelmäßig überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Jahressteuererklärung abgegeben. Das Finanzamt nimmt  das Geld entgegen und übersendet einen Jahressteuerbescheid. Weil das Finanzamt sich aber die Möglichkeit offen halten will, die Angaben in der Steuererklärung noch näher zu überprüfen (z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) wird der Steuerbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung erteilt. Das bedeutet, dass das Finanzamt es sich ausdrücklich vorbehält, den Bescheid noch abzuändern, deshalb wird er nicht bestandskräftig und kann – wie auch in der ersten Fallvariante - bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung ebenfalls noch geändert werden.

    3) Diese Möglichkeit kommt seltener vor. Auch hier wurde die Umsatzsteuer regelmäßig überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Steuererklärung abgegeben. Das Finanzamt verschickt aber nach einiger Zeit einen Jahressteuerbescheid, der nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt wurde (z.B., weil die Angaben schon näher überprüft wurden und das Finanzamt deshalb keinen Anlass für diesen Vorbehalt mehr sieht). Dann wird der Bescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig und kann deshalb nicht mehr geändert werden.

    Falls solche bestandskräftigen Steuerbescheide bzgl. der Umsatzsteuer existieren, könnte für die betreffenden Jahre deshalb keine Rückzahlung der abgeführten Umsatzsteuer mehr erreicht werden. Wer sich die Möglichkeit der Rückforderung offenhalten will, muss solche Bescheide innerhalb der Einspruchsfrist anfechten.

    Die Entscheidung des BFH kann im Volltext von der Internetseite

    https://www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen/entscheidungen-online

    heruntergeladen werden.