Justizpalast München

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Betreuungsreform

Bayern unterstützt Inkrafttreten Anfang 2023

07.01.2021

Aus bayerischer Sicht könnte das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Wir haben uns gegenüber dem Bund für ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2023 ausgesprochen. Der bis dahin zur Verfügung stehende Zeitraum reicht aus, um das Inkrafttreten der neuen Regelungen vorzubereiten. Auch würde ein späterer Termin den Zeitraum bis zur Evaluierung der Betreuervergütung doch sehr verknappen“, sagte die Referentin für Betreuungsrecht des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Christine von Massenbach im Gespräch mit Vertreter*innen des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB).

An der Videokonferenz nahm auch Dr. Thomas Ermer teil, seit März Leiter der Zivilrechtsabteilung des Ministeriums. Den BdB vertraten Landessprecherin Brigitte May, die Landesvorstände Peter Berger und Jochen Grimm sowie BdB-Geschäftsführer Dr. Harald Freter. Der BdB teilt die Einschätzung der Referentin. Das neue Gesetz bringe mit der Ausrichtung am Selbstbestimmungsrecht der Klient*innen gemäß UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) erhebliche Mehraufwände mit sich, die die Evaluation überprüfen müsse, so Geschäftsführer Harald Freter: „Wir haben seit langem gefordert, dass der Selbstbestimmungsgedanke der UN-BRK in das Betreuungsrecht eingeht und wir unterstützen dies ausdrücklich. Doch ist dieses Mehr an Qualität mit erheblichen Mehraufwänden für Berufsbetreuerinnen und -betreuer verknüpft, die vergütet werden müssen.“

Peter Berger, der in Erlangen ein Betreuungsbüro führt, rechnete vor, was die neuen Maßnahmen – u.a. Kennenlerngespräch, Betreuungsplan, erweiterte Berichtspflichten, Umsetzung der Unterstützten Entscheidungsfindung – an Mehraufwänden mit sich bringen: „Das macht rund einen Arbeitsmonat Mehrarbeit in meinem Betreuerbüro. Nicht falsch verstehen. Wir unterstützen die genannten Maßnahmen ausdrücklich, da sie das Selbstbestimmungsrecht unserer Klientinnen und Klienten nachhaltig stärken. Doch können und wollen wir die Umsetzung nicht in unbezahlter Mehrarbeit erbringen. Qualität hat ihren Preis.“

Jochen Grimm, der in München als Berufsbetreuer tätig ist, ergänzte: „Dieser Schuss kann gewaltig nach hinten los gehen. Der Beruf wird noch unattraktiver. Künftige Berufsbetreuerinnen und -betreuer werden abgeschreckt. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.“

Christine von Massenbach sagte: „Es ist richtig, dass der Reformentwurf für alle Beteiligten - Betreuer, Betreuungsgerichte, Betreuungsstellen - neue Aufgaben bringt. Gerade bei der Berichterstattung der Betreuer gegenüber dem Betreuungsgericht wird der konkrete Aufwand auch von einer maßvollen Auslegung der neuen Vorgaben abhängen. Andererseits sieht der Reformentwurf z.B. mit der Ermöglichung von Dauervergütungsanträgen auch Entlastungsmöglichkeiten für Gerichte und Betreuer vor, die es zu nutzen gilt. Im Rahmen der Evaluation der Angemessenheit der 2019 festgesetzten Fallpauschalen, die bis Ende 2024 vorgesehen ist, werden auch die neuen Regelungen Berücksichtigung finden.“

Die Gesprächspartner stimmten darin überein, dass der Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten einen großen Fortschritt für die rechtliche Betreuung in Deutschland darstellt. Wichtig sei, dass der Zeitplan des parlamentarischen Verfahrens eingehalten werde, damit der Entwurf noch in dieser Legislatur verabschiedet und Gesetz wird. Anschließend werde man sich um die noch strittigen oder offenen Punkte kümmern müssen.