Gesetzentwurf zur Reform des Betreuungsrechts: Ein Fortschritt für Klient*innen und den Berufsstand

02.10.2020
  • Portrait Thorsten Becker

Berlin/Hamburg, 2. Oktober 2020 – „Der Gesetzentwurf zur Reform des Betreuungsrechts bedeutet einen großen Fortschritt. Sowohl für unsere Klientinnen als auch für unsere Berufsgruppe“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen Thorsten Becker über den Entwurf, der am 23. September vom Bundeskabinett beschlossen und nun in das parlamentarische Verfahren gegeben wurde.

Das erste Fazit nach der Lektüre: „In einigen Punkten haben wir eine deutliche Verbesserung erreicht“, so Becker. Ein zentraler Punkt ist dabei die künftige Ausrichtung des Betreuungsrechts am Selbstbestimmungsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). „Damit wird die Autonomie der Klient*innen gestärkt, wofür wir uns viele Jahre stark gemacht haben. Der Mensch steht im Mittelpunkt – und seine Wünsche. Die Unterstützung von Klient*innen bekommt eine vorrangige Stellung vor der Stellvertretung. Damit ist Betreuung nun auch im Gesetz als Prozess definiert, der Menschen darin unterstützt, eigene Entscheidungen zu treffen – autonom und selbstbestimmt.“

Mehraufwände müssen vergütet werden

Scharf kritisiert der BdB-Vorsitzende jedoch, dass im Entwurf nicht beschrieben ist, wie die Mehraufwände vergütet werden sollen, die entstehen werden – beispielweise durch ein Kennenlerngespräch, das künftig zu Beginn der Betreuung geführt wird, oder durch die Einbindung der Klient*innen in den Jahresbericht. Der BdB hat ermittelt, dass auf Betreuer*innen ein erheblicher Mehraufwand zukommt: Pro Klient*in sind das mehrere Stunden. Thorsten Becker: „Maßnahmen, die den Unterstützungsprozess stärken, finden unsere Zustimmung, weil sie den Klienten zu Gute kommen. Jedoch kann niemand erwarten, dass wir diese Leistungen in unbezahlter Mehrarbeit erbringen. Wer mehr Qualität will, muss diese auch bezahlen.“ Mindestens müssen die Mehraufwände in die Evaluation der Vergütung einfließen, über deren Ergebnis bis zum 31.12.2024 zu berichten ist, fordert Thorsten Becker.

Betreuerberuf wird erstmal anerkannt

Als wichtigen Schritt für den Berufsstand bewertet der BdB, dass künftig ein bundesweit einheitliches Zulassungsverfahren auf der Grundlage persönlicher und fachlicher Eignung zum Beruf führen soll. Thorsten Becker: „Nach fast 30 Jahren wird der Betreuerberuf damit erstmals anerkannt“. Die Vergütung wird außerdem rechtssicher festgelegt und Herabstufungen wird es nicht mehr geben. Auch soll die sogenannte Elferregel abgeschafft werden, wonach eine künftige Berufsbetreuerin oder ein künftiger Berufsbetreuer zunächst elf Klient*innen ehrenamtlich betreuen soll, bevor sie oder er ihre/seine Leistungen in Rechnung stellen kann.

Bürokratie leicht eingedämmt

Positiv bewertet der BdB, dass die Bürokratie im Gesetzentwurf leicht eingedämmt wurde. Zunächst war die Vorgabe, dass Veränderungen aller Art „unverzüglich“ der Behörde anzuzeigen sind. Das wurde jetzt in „vier Monate“ geändert. „Das ist immer noch eine Mehrbelastung – bisher haben wir einen Bericht pro Jahr geliefert – doch ist die Belastung durch diesen Kompromiss leicht entschärft. Wir sollten die kostbare Zeit unseren Klient*innen widmen und nicht der Bürokratie“, so Thorsten Becker.

BdB am weiteren Prozess beteiligt

Das Gesetz soll am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Thorsten Becker: “Das ermöglicht aus unserer Sicht, dass die mit dem Gesetz verbundenen Mehraufwendungen für Berufsbetreuerinnen in den Evaluierungsprozess zur Vergütung mit einbezogen werden können. Außerdem kann dann die Rechtsverordnung zum Sachkundenachweis im Laufe des Jahres 2022 in Ruhe erarbeitet werden. Der BdB wird sich in diesen Prozess konstruktiv einbringen.“ Dem BdB wurde seitens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zugesichert, dass er an der Erarbeitung beteiligt werde. Am 6. November 2020 wird der Bundesrat über den Gesetzentwurf debattieren.

Aufzeichnung ist online: Thorsten Becker zum Reformprozess

Unser Vorsitzender Thorsten Becker hat am 25. September eine Online-Präsentation zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens gegeben. Dort erläuterte er ausführlich die Position des Verbandes zum Gesetzentwurf zur Reform des Betreuungsrechts. Mitglieder konnten Fragen stellen und ihre Ansichten einbringen. Wenn Sie an dem Termin nicht teilnehmen konnten, können Sie die Aufzeichnung der Präsentation im Mitgliederportal nachschauen: https://www.meinbdb.de/activities/5f75f6cc8918682d8ffb0b25